schnittplatz
: Von wegen gähnig

Ein ungewohnter Anblick für Harald Schmidt: Einer seiner Zuschauer gähnt. So geschehen bei der deutschen Woche an der London School of Economics, wie er in seiner Show am Dienstag berichtete. Wir haben den Gähner ausfindig gemacht. Hier der Beweis, dass er dennoch hellwach war:

Zum Auftakt der Veranstaltung reiste Harald Schmidt mit dem Eurostar, „zwei Französinnen, zehn englischen Gentlemen und 5.000 japanischen Touristen“ aus Paris an. Der Saal des Peakock Theatres platzt aus allen Nähten. Zur Begrüßung spricht ein in einen dunklen Anzug gezwängter Student der German Society bierernst von deutschen Dilemmata, zu denen schließlich auch der richtige Umgang mit Humor gehöre. Schmidt bietet daraufhin in fließendem Englisch an, auch die Fragen an Bundesaußenminister Fischer, der aufgrund seiner Verpflichtungen leider nicht nach London kommen kann, zu beantworten. Zum Programmpunkt „Where did the Wirtschaftswunder go?“ mit dem Chefökonom der Deutschen Bank meint er nur: „To the East.“ Er bemerkt, dass Friedrich Merz, der über Wirtschaftswachstum sprechen soll, sicherlich wenig erfreut über den Titel Fraktionsvorsitzender sei. Zu Michel Friedman, der mit Hans Mommsen über die wechselnde Selbstwahrnehmung Deutschlands diskutieren wird, fällt ihm ein, dass es sich um die attraktivste Figur in der deutschen Politiklandschaft handle – insbesondere intelligente Frauen würden dahinschmelzen.

Während der Talkmaster gerade dabei ist, von seinen Interrail-Abenteuern in Schottland und Irland zu erzählen, stürmen zwei als UN-Inspektoren verkleidete Studenten der universitären Antikriegskoalition in den Raum, um den Gast auf Massenvernichtungswaffen zu untersuchen. Nachdem die Aktivisten zu einer Demonstration in der kommenden Woche aufgerufen haben, verlassen sie freiwillig die Bühne. Harald Schmidt: „Man hat gleich gesehen, dass das Deutsche sind und dass sie lustig sein wollen.“ Allgemeines Gelächter, Schmidt hingegen setzt eine ernste Miene auf und vergleicht Deutschlands Schicksal mit der Fahrt durch den Eurotunnel. Durch den er kurz darauf wieder verschwindet. Ein ganz und gar nicht gähniger Abend.

FELIX ACKERMANN