Ein Séparée für den Provokateur

Die einstige „Wehrkundetagung“ hat sich gewandelt. Doch obwohl sie östlicher und öffentlicher geworden ist, wird sie erneut vom Denken und Auftreten eines Donald Rumsfeld beherrscht. Und die Deutschen wollen ihn nicht reizen

Konfliktprävention oder Menschenrechtsfragen tauchen höchstens en passant auf

BERLIN taz ■ Ein Verdacht ist übertrieben: die Vorstellung mancher Demonstranten, hinter den verschlossenen Türen des Bayerischen Hofes werde die Planung des nächsten Irakkrieges vorangetrieben. Aus dem Konferenzsaal führt eine Liveschaltung in den Nebenraum – wo 400 Journalisten jedes Wort verfolgen.

Der Provokateur des Wochenendes – für die Teilnehmer im Saal wie die Demonstranten auf der Straße – wird seine Bühne zu nutzen wissen: US-Verteidigungsminister Rumsfeld, der Erfinder des Kampfbegriffs vom „alten und neuen Europa“, trifft unter den etwa 30 Außen- und Verteidigungsministern auf verbündete wie vergrätzte Kollegen. Sein deutscher Kollege Peter Struck hat bereits für eine Stunde ein Séparée gebucht, um unter vier Augen mit dem Amerikaner reden zu können. Joschka Fischer wird sich auf eine Rede beschränken, seine Mitarbeiter bemühten sich aber bei den Organisatoren darum, dass ihr Chef wenigstens sprechen darf, solange der Pentagonchef noch im Saal ist.

Weder Struck noch Fischer wissen bisher allerdings, was sie in München konkret erreichen möchten. „Wir wollen erst mal den Mittwoch abwarten“, sagen Fischers Leute, dann legt US-Außenminister Colin Powell seine Beweise gegen den Irak vor. „Wir wollen die Amerikaner nicht in eine Ecke drängen“, heißt es im Verteidigungsministerium vorsichtig. Und der Irak? Gewiss sei der ein Thema, kommt zur Antwort, aber die Positionen dazu seien ja eigentlich ausgetauscht. Struck steckt offenbar der Schreck über Rumsfelds Rempeleien vom Herbst noch in den Knochen. Von Seiten der Bundesregierung stehen die Zeichen darum auf Zurückhaltung. Die Chancen stehen also gut, dass Rumsfeld die Sicherheitskonferenz in angenehmer Erinnerung behält – auch wenn sie nur noch wenig mit der netten Runde alter Freunde zu tun hat, als die sie der Verleger des Fachmagazins Europäische Wehrkunde 1962 konzipiert hatte.

Mit dem Ende des Kalten Krieges wurde die „Wehrkundetagung“ umbenannt und zugleich östlicher, öffentlicher und bunter. Helmut Kohls langjähriger Außenpolitik-Berater Horst Teltschik übernahm die Leitung und setzte auf Wandel durch Annäherung. Zwei traditionelle Gegner der Nato nahm er dabei bevorzugt ins Visier: Minister und Generäle aus dem früheren „Reich des Bösen“, dem Ostblock – und einstige Militärkritiker aus dem rot-grünen Milieu. So mancher grüne Bundestagsabgeordnete geriet da unter Termindruck: Draußen vor der Tür wartete die Demo, drinnen im Salon Plätzchen und Politplausch.

Auch thematisch hält Teltschik sich zugute, den Fokus der Tagung erweitert zu haben. Ein globaler Begriff von Sicherheit habe das Verständnis in den Kategorien der Blockkonfrontation abgelöst, referiert der zeitweilige BMW-Vorstand gern. Davon ist die Münchner Konferenz freilich noch weit entfernt. Konfliktprävention, Nord-Süd-Ausgleich oder Menschenrechtsfragen tauchen in den Beiträgen höchstens en passant auf. Jedes Treffen des Internationalen Währungsfonds räumt inzwischen der Kritik an einem westlich dominierten Weltblick mehr Raum ein als die Sicherheitskonferenz.

In München beherrschen unverändert Kategorien der militärischen Stärke das Denken. Gewandelt hat sich zwar die Bedrohung, nicht aber die Antwort der meisten Teilnehmer darauf. In diesem Sinne ist das Treffen keine Ideenbörse für eine sicherere Zukunft, sondern eher ein Platz fürs kollektive Schulterklopfen.

PATRIK SCHWARZ