Von der Kutsche zum Laptop

Die Familie des Möbelhausbesitzers Heinrich Steinkamp spiegelt die historische Entwicklung des Berufsstandes der Raumausstatter wider. Schon sein Urgroßvater kümmerte sich im 19. Jahrhundert um Einrichtungen – um die von Kutschen

Mit seinem familiären Möbelhaus sieht sich Steinkamp als „Exot“. Trotz Konkurrenz von riesigen Möbelhäusern haben die Kunden nie auf seine Dienste verzichtet

VON ROBIN RIEPRICH

„Die Familie Steinkamp arbeitet bereits seit fünf Generationen in der Raumausstattung“, sagt Heinrich Steinkamp. Vor gut 25 Jahren gründete er sein Möbelhaus in Barmbek-Süd. Heinrichs Urgroßvater August Steinkamp betrieb im westfälischen Senden eine Sattlerei. Dabei kümmerte er sich neben Sätteln auch um die Inneneinrichtung von Kutschen. Als der Transport mit Pferden und Kutschen durch die Motorisierung in den 1920er Jahren aus der Mode kam, sank auch die Nachfrage nach Pferdegeschirr. Daher stellte Wilhelm Steinkamp sen., Heinrichs Großvater, sein Geschäft in Osnabrück schrittweise von der Sattlerwerkstatt zur Polsterei um. „Damals musste man als Raumaustatter alles herstellen können, von der Aktentasche bis zum Polstermöbel“, sagt Steinkamp. Heute sei die Spezialisierung in der Branche viel größer.

Wilhelm Steinkamp jun. betrieb ebenfalls eine Polsterei in Osnabrück und wies seinen Sohn in das Handwerk ein. Der Weg vom Sattler über den Polsterer zum Möbelhändler sei durchaus typisch, sagt Heinrich Steinkamp, eines von Wilhelms sechs Kindern. Dies spiegele die historische Entwicklung eines ganzen Berufsstandes wider. „Wenn sich die Welt verändert, muss man flexibel sein und sich auch verändern.“

Auch er selbst hat in den 25 Jahren seines Möbelhauses Veränderungen mitgemacht. Die Kunden seien anspruchsvoller geworden, sagt er. „Früher wollten sie einfach nur solide Möbel, heute achten die Käufer auf Ökologie. Auch Ergonomie wird immer wichtiger.“

Zugleich stellt Steinkamp fest, dass gerade jüngere Menschen mehr auf den Preis als auf die Qualität der Möbel achten. „Viele junge Leute kaufen ihre Ersteinrichtung bei Ikea und kommen dann später, wenn sie solider denken und eine Familie gründen zu mir.“

Neu sei auch die Tendenz, dass viele Möbel weggeschmissen würden, statt sie zu reparieren.

Heinrich Steinkamp ist der erste der Raumausstatter-Familie, der sein Geschäft an die nächste Generation weitergibt: Seit Mitte des Jahres führt sein Sohn Thomas das Haus, der jüngste Sohn Martin arbeitet ebenfalls dort. Heinrich Steinkamp möchte sich in den nächsten Jahren schrittweise aus dem Geschäft zurückziehen. Seine Söhne können zwar weiter auf seine Erfahrung bauen. Heinrich Steinkamp möchte aber „loslassen“ und die Söhne „auch mal Fehler machen lassen“, damit sie eigene Erfahrungen sammeln.

Mit seinem kleinen, familiären Möbelhaus sieht sich Steinkamp als „Exot.“ Doch trotz Konkurrenz von riesigen Möbelhäusern haben die Kunden nie auf seine Dienste verzichtet. Er mache weit mehr, als Möbel zu verkaufen, sagt Steinkamp. Er sei ein „Problemlöser“. Früher hätten die Verkäufer des damaligen Nachbarn, der „Karstadt“-Möbelabteilung, Kunden bei schwierigen Fällen zu ihm geschickt. Unkonventionelle Wünsche lassen sich eben nur mit handwerklicher Erfahrung umsetzen. Dabei entsteht dann eine „tiefe Verbindung bis in die letzte Schraube“ zum Möbelstück, sagt Steinkamp.

Viele Kunden kennt er persönlich und nicht selten lohnen sich Freundschaftsdienste: So erzählt Steinkamp, er habe einen seiner Kindertische mit seinem Auto bis nach Berlin gefahren. Eine Woche später hat die Familie des beschenkten Kindes Möbel im Wert von mehreren tausend Euro bei ihm gekauft. „Gute Reputation zahlt sich aus“, sagt er.

Steinkamps Möbel sind solide und speziell, und das kostet. Ein Kinderbett, das sich ohne weiteres zu einem Sofa umbauen lässt, gibt es für 700 Euro, einen Sekretär mit Laptop-Ablage für etwa 1500 Euro.

Kunden, die bereits sind, so tief in die Tasche zu greifen, fänden sich aber immer. So profitiere er auch von der Globalisierung, gibt Steinkamp lachend zu. „Viele ausländische Geschäftsleute kommen nach Hamburg und kaufen dann hier Möbel, die sie ihren Familien schicken.“