Trunkene Herzen

Atmende Bandoneons, zirpende Violinen: Das Sexteto Mayor beehrte den Sendesaal

Virtuose alte Herren, die im Rahmen der „Sparkasse in concert“-Reihe im vom Abriss gefährdeten Radio Bremen-Sendesaal Tango spielen: Kein einziger Platz war mehr frei und wer keine Karte mehr bekam, konnte das Geschehen im Foyer auf Videobeam verfolgen – natürlich kein wirklicher Ersatz für den Sound des Sexteto Mayor in einem Saal mit einem derart atemberaubenden Klangbild, wie es der Sendesaal aufweist.

Das Sexteto Mayor lieferte mit seiner „Hommage an Astor Piazzolla“ ein furioses Hörerlebnis: Einem Streifzug durch die Geschichte des Tangos folgte eine Auswahl von Piazzolla-Tangos, darunter neben dem populären „Libertango“ auch das schwer zu spielende „Fuga y Misteria“.

Die beiden Bandeonisten José Libertella und Luis Stazo schienen mit ihren Instrumenten verwachsen, man hörte die Bandoneons geradezu atmen. Mario Abramovich und Eduardo Walczak ließen ihre Violinen seufzen, zirpen und flöten, die Pianisten Oscar Palermo und Anibal Glüzman-Becker beeindruckten durch Läufe, in denen jazzige Spielweisen ebenso aufblitzten wie klassische.

Osvaldo Aulicino, 72, sorgte am Kontrabass für die rhythmische Grundierung. So vermittelten die Vollblutmusiker die Lebendigkeit einer Musik, die sich aus den Hafenkneipen Buenos Aires‘ bis in die Konzertsäle der europäischen Metropolen vorgearbeitet hat.

„Ich will mein Herz betrunken machen“ heißt es in einer Zeile des Tangos „Nostálgias“, den das Sexteto Mayor im ersten Set spielte und betrunken machen konnte diese Musik einen tatsächlich. Es war ein grandioser Rausch, aus dem man ohne Kater erwachte. Arnaud