Kein bunter Teller

Beim 0:0 in Bielefeld beschränkt sich der FC Bayern auf minimalen Fußball und ein minimales Ergebnis

BIELEFELD taz ■ Ein Spiel, in Kälte erstarrt. Eisig pfiff der Wind über die Bielefelder Alm, und spätestens Mitte der zweiten Halbzeit war auch den letzten der 26.601 Besuchern auf den Rängen klar, dass hier ein Tor nur noch durch eine Verkettung von seltsamen Zufällen zustande kommen würde. Diese Verkettung aber fand nicht statt, und so markierte der Schlusspfiff von Schiedsrichter Uwe Kemmling das logische Ende einer Partie, für die der Phrasenfundus des Fußballs den Ausdruck „ein typisches 0:0-Spiel“ bereit hält.

Danach konnte nur einer richtig mit sich im Reinen sein: Bayern-Keeper Oliver Kahn, der nun schon seit 713 Bundesligaminuten ohne Gegentor ist, womit ihm noch ganze 25 Minuten fehlen, seine eigene Rekordmarke aus der Saison 1998/99 zu übertreffen. Dementsprechend mild war Kahn nach dem trüben Kick gestimmt. Bei all den Verletzten und Kranken im Ensemble sei vielleicht nicht mehr drin gewesen, mutmaßte der Torwart, und da müsse man „mit solch einem 0:0 auch mal zufrieden sein“. Mit dieser Auffassung war Kahn nicht allein. „Die Null stand immerhin“, freute sich Trainer Ottmar Hitzfeld und pries einen „topmotivierten Gegner, der uns alles abverlangt hat.“

Das ist ja eine ganz neue Bescheidenheit. Fast schien es, als seien die Bayern gar nicht mal traurig über das Unentschieden, und sei es, weil dadurch die Meisterschaft für ein paar weitere Wochen mit einer Illusion von Spannung verbrämt wird; ein einsamer Alleingang kann ja durchaus geschäftsschädigend sein. Wahrscheinlicher ist, dass sich Hitzfeld und Kahn bewusst waren, dass angesichts der aktuellen Personallage auch der Krösus von der Isar seine Ausfälle nicht mehr gleichwertig ersetzen kann. So debütierte der allseits als Supertalent gepriesene 18-jährige Bastian Schweinsteiger im Mittelfeld ordentlich, einen Ballack vergessen lassen kann er noch nicht. Zwar konnten die Münchner noch eine allemal überdurchschnittliche Bundesligaelf auf den Rasen schicken, aber eben keine mehr, die einen zähen Gegner nach Belieben dominiert.

Das alles erklärt freilich nicht, warum der designierte Meister nach der Pause seine Offensivbemühungen komplett eingestellt hat, wogegen die Arminia durch Diabang, Dammeier und Cha immerhin drei gute Möglichkeiten hatte, das Spiel für sich zu entscheiden. Weil bei der Verwertung der Torgelegenheiten „die letzte Entschlossenheit“ gefehlt habe, mochte Coach Benno Möhlmann „nicht zu 100 Prozent“ zufrieden sein, andererseits hatte kaum einer den Bielefeldern zwei Punkte aus den Spielen in Bremen und gegen München zugetraut, wahrscheinlich nicht mal sie selbst. Wohl, weil sie diese Bilanz nicht gefährden wollten, ließen auch die Ostwestfalen in der Schlussphase des Spiels das letzte Risiko vermissen. Immerhin lägen „Welten zwischen der Zielsetzung“ beider Klubs, wie Ansgar Brinkmann betonte. „Fußball ist kein bunter Teller“, schwadronierte der Dribbelkünstler nach dem tiefgefrorenen Remis gegen die Bayern, und niemand mochte ihm widersprechen.

Damit hätte es gut sein können, und alle hätten sich auf die heimische Zentralheizung freuen dürfen, wäre da nicht Karl-Heinz Rummenigge gewesen. Mit grimmigem Blick rauschte der bajuwarische Vorstandsvorsitzende durch die Mixed Zone auf der Alm, als sich ihm schneidig ein lokaler Radioreporter in den Weg stellte. Und da sich die Gelegenheit ergab, ließ Rummenigge mal eben Dampf ab. Die Meisterschaft sei kein Selbstläufer, wer so spiele wie die Bayern an diesem Tag, der habe es nicht verdient, zu gewinnen, das sei alles viel zu wenig, vor allem im Angriff, speziell von Elber, kein Wunder, dass der so lange kein Tor geschossen habe, und überhaupt: Er würde Elber dringend raten, zum Thema Vereinswechsel in der Öffentlichkeit nichts mehr zu sagen. Sprach’s und entschwand. Sollte Elber danach Rummenigge begegnet sein, dürften ihm Handschuhe gegen die Kälte nicht mehr geholfen haben. JENS KIRSCHNECK