Zöpels rhetorischer Amoklauf

Erneut blamiert sich ein SPD-Politiker mit allzu schlichter Geschichtsdeutung

BERLIN taz ■ Manchmal kann man ja froh sein, dass wichtige Staatspolitiker ihre Posten irgendwann räumen. Der Bundestagsabgeordnete Christoph Zöpel, SPD-Nahostfachmann und bis 2002 Staatsminister im Auswärtigen Amt, gehört dazu. Er erläuterte bei der Friedrich-Ebert-Stiftung die deutsche Politik in der Irakkrise. Das heißt: Er versuchte es.

Zöpel verwechselte aber das Expertenhearing „Krieg im Irak – wie reagieren die Nachbarn?“ zunächst mit einer Parteiveranstaltung, indem er immerfort das Sozialdemokratische seiner Position herausstrich. Er schläferte sein Publikum sodann mit historischen Allgemeinplätzen ein – um es mit einem Paukenschlag zu überraschen: „Al-Qaida ist Teil der Zivilgesellschaft“, sagte er. Warum? Weil al-Qaida eine nichtstaatliche Organisation sei. Kindersoldaten sind in Zöpels Logik dann wohl auch zivilgesellschaftliche Akteure.

Als der Staatsminister a. D. die deutsche Position erläuterte, kehrte er kurzerhand die Bedeutung des „Kampfes der Kulturen“ um. Es sei kein Zufall, dass sich gerade Deutschland und Frankreich zu einer Position zusammengefunden hätten. Immerhin handle es sich um die humanistischen Mutterländer eines Aufklärers wie Immanuel Kant und des französischen Abbé Pierre, der die karitative Emmaus-Bewegung begründete.

Die aktuelle Nachricht von den acht EU-Abweichlern konnte Zöpel nicht um die rhetorische Selbstgewissheit bringen. Die osteuropäischen Neumitglieder hätten noch nicht richtig begriffen, was Europa sei. Meinte er damit Václav Havel, der die Erklärung der Regierungschefs mit ausarbeitete? Und, so Zöpel weiter, Großbritannien wüsste „trotz Coventry 1940“ gar nicht, was Krieg sei. Seit 1066 hätte das Inselreich keine Invasion mehr von außen erfahren.

Selten hat sich ein Kriegsgegner bei seiner Argumentation so verstiegen. Das lässt andere Kriegsgegner verzweifeln – die ebenfalls bei der Tagung der Ebert-Stiftung anwesend waren. Die Regionalspezialisten konnten gute sachliche Argumente gegen den Krieg vorbringen. Zum Beispiel die drohende Destablisierung der Nachbarstaaten. HEIKO HÄNSEL