Der Friseur und die Flutopfer

Der Friseur Mischa arbeitete für Flutopfer – die aber hatten noch nie was von ihm gehört. Auch das Geld liegt noch in Bremen. Eine Geschichte von einer misslungenen Kommunikation

Friseur Mischa nämlich ist seinerseits ein bisschen pikiert

Es war eine große Nummer. Bild-Zeitung, Weser-Kurier, Radio Bremen, die taz – alle stürmten in den regnerischen Tagen des vergangenen Oktobers einen kleinen Laden in einer kleinen Straße in der City: Friseur Mischa nämlich schnitt hier für die Flutopfer. Für Familie Guttowski im sächsischen Zuschendorf bei Pirna, deren 200 Jahre altes Haus die Fluten weggerissen hatten. Das Flüsschen Seidewitz war im August zu einem mächtigen Strom geworden. „Der Fluss fließt noch, unser Haus ist weg“, sagt heute lakonisch Irena Guttowski, 41, Stadtangestellte.

Mucahit Bligic alias Friseur Mischa also schnippselte, fönte und tönte einige Wochen lang ohne Festpreis: Wer einen Termin unter dem Stichwort Flutopfer gemacht hatte, gab soviel wie er für richtig hielt – für die Guttowskis. Dass diese Familie Hilfe nötig hat, hatte Bligic von der Dresdner Redaktion der Bild-Zeitung erfahren. Das Ziel seiner Aktion: 2.000 Euro für die Guttowskisund viel – kostenlose – PR für einen Innenstadtfriseur.

Dumm nur, dass die zu beglückenden Flutopfer von ihrem Wohltäter offenbar gar nichts wussten. „Von diesem Friseur haben wir bis heute nichts gehört“, hieß es in einem Brief von Irena Guttowski an die taz, nachdem sie den Artikel der taz bremen auf Umwegen erhalten hatte. Sie wolle niemandem zu nahe treten, „aber den Schaden haben wir, denn viele glaubten, uns hilft der Friseur und haben anderweitig gespendet.“

Die Seideritz hat den Guttowskis, Irena und André sowie ihre zwei Töchter im Alter von 19 und 16 Jahren, das Haus weggerissen samt allem, was drin war. Derzeit leben sie in Zuschendorf in einer Klempnerwerkstatt, ein neues Haus ist in Bau. Sie waren versichert, „aber für ein 200 Jahre altes Haus kriegt man nicht mehr viel“. Aber weil sie versichert waren, bekommen sie auch keine staatlichen Hilfen. „Wir sind auf private Spenden angewiesen“, so Irena Guttowski.

In Bremen liegen derweil 800 Euro – soviel immehin hat Friseur Mischa nämlich für die Guttowskis erarbeitet. Er ist seinerseits ein bisschen pikiert. „Die Familie wollte noch die Kontonummer anreichen. Aber die haben sich nicht gemeldet.“ Mehr noch: „Sie haben sich noch nichtmal bedankt.“

Die Guttowskis 430 Kilometer weiter südöstlich sind nun ihrerseits irritiert. Und aufgeschreckt. Sie wollen niemanden verärgern, denn sie rechnen mit jedem Cent.

Wo die Kommunikationslücke nun liegt, lässt sich nicht endgültig aufklären. Möglicherweise in der Dresdner Bild-Redaktion. Angelpunkt der ganzen Aktion ist Jürgen Helfricht, er ist hier der Chefreporter. Ihn hat Mischa nach Flutopfern gefragt, und er ist es, der den Guttowkis auch andere Spender vermittelt hat. Zu dieser speziellen Bremer-Zuschendorfer Verbindung sagt er: „Natürlich haben die Guttowskis von dem Friseur gewusst.“ Und: „Die werden sich bei ihm melden.“ Aber, so der Bild-Mann weiter, „die haben wahrscheinlich viel um die Ohren.“ Und bei den ganzen Wohltätern, die Zuschendorf und die anderen zerstörten Orte heimgesucht hatten, „waren unglaublich viele Lippenbekenntnisse dabei.“

Dazu zählt Friseur Mischa offenbar nicht. Er hat inzwischen erneut bei Helfricht angerufen und nach den Guttowskis gefragt. Die Guttowskis ihrerseits beteuern, „der Herr Helfricht war als erster hier, er hat uns gut geholfen.“ In den nächsten Tagen also sollen sie die 800 Euro aus Bremen bekommen. Dann werden sie sich bestimmt bedanken. „Bitte“, sagt Irena Guttowski, „der Friseur soll nicht verärgert sein.“ Susanne Gieffers