Das Wunder von Porto Alegre

Die Einnahmen verdreifacht, „ich hab nur noch nicht rausgekriegt wie“: PDS-Mann Klaus-Rainer Rupp über seinen Trip zum Weltsozialforum, und was Bremen von ihm lernen könnte

„Diese Stadt scheint mehr in Ordnung zu sein als andere Städte.“

taz ■ 100.000 Menschen aus 150 Ländern dieser Welt, 1.500 Veranstaltungen, all das an fünf Tagen, und einer mitten drin: Klaus-Rainer Rupp, Landesvorsitzender der Bremer PDS, hat am Weltsozialforum im brasilianischen Porto Alegre, das heute zu Ende geht, teilgenommen. Was das für Bremen heißen könnte, außer dass Passanten sich an PDS-Wahlständen demnächst auf Diskussionen über bremische Auswüchse der Globalisierung gefasst machen können, berichtet der weit Gereiste per Handy – inzwischen aus Sao Paolo.

taz: War‘s gut?Klaus-Rainer Rupp: Die Auftaktdemo war grandios, richtig klasse. Soziale Bewegungen aus der ganzen Welt waren da. Völlig bunt und ohne den tierischen Ernst, den deutsche Demonstrationen manchmal an sich haben, sind die hier durch die Straßen gezogen. Das gibt einen Eindruck davon, wie stark mittlerweile die globalisierungskritische Bewegung ist.

Auf welchen Workshops waren Sie? Womit haben Sie sich konkret auseinander gesetzt?Unter anderem mit dem Beteiligungshaushalt in Porto Alegre. Das funktioniert hier seit zwölf Jahren und zeigt, dass es doch Alternativen zu einer neoliberalen Kommunalpolitik gibt. Damals war Porto Alegre am selben Punkt wie Bremen: zu wenig Einnahmen, zu viel Kosten für den öffentlichen Bereich. Damals wurde das Steuersystem umstrukturiert – ich hab nur noch nicht rausgekriegt, wie. Fakt ist: Seither haben sie ihre Einnahmen verdreifacht.

Wie geht denn ein solcher Beteiligungshaushalt?Im Wesentlichen ist es eine Prioritätsbestimmung für Ausgaben. Das heißt, die Menschen haben direkten Einblick, was mit dem Geld gemacht wird und können auf Stadtteil-, teilweise sogar Straßenebene ihre Prioritäten formulieren. Das fließt in einem Prozess, der übers ganze Jahr geht, ein in den neuen Haushalt.

Geht es den Menschen in Porto Alegre besser als denen in Bremen?Das zu beurteilen wage ich nicht. Aber es geht den Menschen in Porto Alegre offensichtlich besser als in vielen anderen südamerikanischen Städten. Das Projekt des Beteiligungshaushalts wird auch exportiert in andere Kommunen Brasiliens. Es entwickelt sich, es ist längst nicht fertig. Selbstverständlich ist die Stadt Porto Alegre von sozialen Problemen nicht frei. Aber diese Stadt scheint mehr in Ordnung zu sein als andere Städte.

Dem Weltsozialforum wurde in den vergangenen Tagen öfter vorgeworfen, ein Riesengesprächskreis mit Event-Charakter, aber ohne handfeste Folgen zu sein. Sehen Sie das auch so?Nee, gar nicht. Das Forum hat meines Erachtens zwei unterschiedliche Ebenen. Die eine ist, dass sich hier ganz viele Menschen aus ganz vielen Ländern treffen. Die tauschen Informationen aus und freuen sich, dass sie da sind. Es hat also schon Event-Charakter. Aber diese Form von Kommunikation, die über weite Strecken zufällig oder wenig koordiniert abläuft, gibt glaube ich für die sozialen Bewegungen in aller Welt eine ungeheure Motivation und Auftrieb. Ich würde das mal als eine Art weiches Ergebnis bezeichnen – statt eines gemeinsamen Beschlusses gibt es diese Form von Motivation, Utopien neu zu denken. Das ist meines Erachtens mindestens so wichtig wie konkrete Deklarationen oder gemeinsame Forderungen.

Viel Spaß und Einigkeit, aber wenig Konkretes also.Doch. Das ist die andere Ebene. So hat sich beispielsweise Attac hier weltweit koordiniert. Hier werden Positionen und Arbeitsschwerpunkte abgestimmt. Des Weiteren hat der drohende Krieg gegen den Irak hier eine sehr große Rolle gespielt. Er hat das Forum nicht dominiert, aber der Kampf gegen Krieg ist mittlerweile integraler Bestandteil der Globalisierungskritik. Diese Friedensbewegung hat sich hier koordiniert. Das sind die harten Ergebnisse von Porto Alegre: Auf einer vergleichsweise unbürokratischen Ebene haben sich die unterschiedlichen Bereiche internationalisiert und koordiniert.

Fragen: Susanne Gieffers