Flechten für Harrods

Strandkörbe aus Sylt sind selbst im Londoner Nobel-Kaufhaus und in Neuseeland zu finden. Mehr als 10.000 Körbe werden jährlich neu hergestellt oder wieder sommerfrisch gemacht

von FRIEDHELM CASPARI

Bevor die Badesaison an den deutschen Küsten beginnt, herrscht bei den Strandkorbherstellern schon Hochkonjunktur. Norddeutschlands Strandkorbmacher sind dabei noch immer Welt- und Exportmeister, „doch stammen mittlerweile viele nachgemachte Strandkörbe aus Indonesien, Litauen und Polen“, bedauert Willy Trautmann, Hersteller der „Sylt-Strandkörbe“ in Rantum.

Die begehrte Qualitätsware des 51-Jährigen findet nicht nur in Deutschland Liebhaber – der gelernte Tischlermeister liefert bis nach Neuseeland und Südafrika. Und als Einziger ist er seit sechs Jahren „Hoflieferant“ für Strandkörbe, die das Londoner Nobelkaufhaus „Harrods“ im Angebot hat.

Von Trautmann und dessen bis zu 15 Mitarbeitern – darunter Tischler, Polsterer, Maler und Korbflechter – werden die Strandkörbe soweit wie möglich in Handarbeit auf der Nordseeinsel gefertigt. „Allein 142 völlig verschiedene Leisten hat ein Korb“, schildert Trautmann. Das Flechtwerk besteht mittlerweile nur noch bei etwa jedem zehnten Korb aus Naturmaterial. Die meisten Körbe sind aus lange haltbarem Kunststoffgeflecht hergestellt. Im Trend liegen so genannte Themenkörbe mit Werbeflächen statt der althergebrachten Streifenmuster. Auf der Nordseeinsel ist dies zum Beispiel die „Sylt-Kuh“.

Rund 10.000 nagelneue Strandkörbe werden jährlich im Norden produziert. Außerdem müssen Tausende von gebrauchten Exemplaren dieser inzwischen 120 Jahre alten deutschen Erfindung repariert oder aufgefrischt werden. Außer Trautmann, der jährlich bis zu 1500 Körbe wie beispielsweise die extrem leicht bedienbaren dreisitzigen Liege-„Softlifter“ fertigt, gibt es auf Sylt in Morsum einen zweiten traditionellen Strandkorbhersteller.

Größter Produzent ist mit jährlich rund 4000 Exemplaren die Strandkorbfabrik von Peter Eggers in Mölln (Kreis Herzogtum Lauenburg). Dieser ebenfalls seit mehr als 50 Jahren bestehende Betrieb liefert vor allem an die Ostseeküste. Je nach Größe und Machart kostet ein deutscher „Edelkorb“ zwischen 800 und 3000 Euro. Dafür hält ein mit 75 bis 100 Kilogramm schwerer Korb bei entsprechender Pflege mindestens 20 Jahre.

Erfunden hat den Strandkorb 1882 der mecklenburgische Korbmachermeister Wilhelm Bartelmann. Nach wie vor sind Strandkörbe vorwiegend an Deutschlands Küsten anzutreffen. Hier wird die Gesamtzahl in den Badeorten von Nord- und Ostsee auf rund 300.000 Stück gezählt, allein auf Sylt stehen im Sommer rund 12.000 Körbe, die „Bräunungsöfen“ und Schattenspender zugleich sind. Vielfach dienen deutsche Strandkörbe auch weltweit in Gärten und Parks als begehrte Sitzgelegenheit im Freien.