Ein Taxi auf dem Parkett in der Chefetage

Im Goethe-Institut von Kairo haben junge Künstler aus Deutschland und Ägypten mit ihrem Projekt „Haus der Begegnung“ den deutsch-arabischen Dialog in Gang gebracht. Mit dem Projekt wollte der Institutsleiter junge Leute erreichen: „Eine Generation, die sich noch etwas zu sagen hat“

von KATJA WINKLER

Ein altes, verbeultes Taxi steht mitten im Hochparterrebüro des Chefs. Damit das edle Parkett nicht zerkratzt wird, liegen unter den Reifen Holzbretter. Kairos Taxis sind Schrottschüsseln. Daher steht unter der Motorhaube eine Wanne, die ausfließendes Öl auffangen soll. Während Besucher sich neugierig über das vor die Tür gespannte Seil beugen und den Anblick bestaunen, arbeitet Johannes Ebert, der Institutsleiter des Goethe-Instituts Kairo, seelenruhig an seinem Schreibtisch weiter. Das Taxi – das Fortbewegungsmittel der ägyptischen Mittelschicht und Touristen – war Teil einer Kunstausstellung im Goethe-Institut. „Komisch“ finden einige ägyptische Besucher die Aktion mit dem Taxi. Denn eigentlich müsste das Gefährt wie seine anderen 60.000 Kollegen durch die versmogte 16-Millionen-Stadt Kairo brausen.

Sechs Wochen lang, bis Ende Dezember, gestalteten drei deutsch-ägyptische Künstlerduos die Räume des Instituts mit Video- und Lichtinstallationen sowie Medienkunst. Die Bedingung: einen deutsch-ägyptischen Dialog in Gang zu bringen. „Wir wollten das Äußere nach innen kehren und das Innere nach außen“, erklärt der 41-jährige Münchner Bildhauer Bruno Wank die Idee, die wie eine Bombe einschlug: Viele arabische Zeitungen druckten ein Foto mit dem Bürotaxi. Ein gelungener Schachzug, um auf die Aktivitäten des innovativ agierenden Instituts aufmerksam zu machen. Auch sonst war das Programm anspruchsvoll: Tanztheater aus Bremen, Kinofilme wie „Jenseits der Stille“ und „Männer“, Vorträge von renommierten Wissenschaftlern, Lesungen mit Autoren wie Thomas Brussig bis hin zu Workshops. Für die Ausstellung stellte das Auswärtige Amt Sondermittel zur Verfügung.

Die Ausstellung ist ganz im Sinne des Institutsleiters und anders als die seit dem 11. September 2001 gängigen Podiumsdiskussionen, auf denen sich die üblichen Verdächtigen – Intellektuelle oder Politiker – auf die Schulter klopfen. Mit dem Projekt wollte Ebert junge Leute erreichen: „eine Generation, die sich noch etwas zu sagen hat“. Sein Mitstreiter Enzio Wetzel, Leiter der Programmabteilung, denkt ähnlich. Allerdings weiß er auch, wie empfindlich man in Ägypten auf Kritik reagiert. Und dass man den richtigen Ton finden muss, „damit nicht gleich der Rolladen runtergeht“.

Das Projekt von Bruno Wanks Kompagnon, dem ägyptischen Videokünstler Mohamed Shoukry, war eine solche Gratwanderung. In Korrespondenz zu Wanks Taxi zeigte der im Hof des Instituts ein Video mit einem Mädchen in ihrem Schlafzimmer. Die Reaktionen darauf fielen unterschiedlich aus.

Weit weniger brisant als das Mädchenschlafzimmer war Shoukrys Arbeit am Eingang des Instituts. Dazu baute er einen Holzgang, projizierte Menschenmassen auf herabhängende Stoffstreifen und unterlegte dieses Szenario mit lauten Stimmen, um die bedrückende Enge eines Basars nachzustellen. Am besten kam Wanks „Weltenspringer“ an, auch wenn die technische Umsetzung von einigen ägyptischen Besuchern als unprofessionell kritisiert wurde. Per Videobeamer ließ er den Springer zwischen zwei Wänden aus der grünen Wiese des Allgäus in das satte Rot einer ägyptischen Wüste springen.

Dass nicht immer künstlerische Freiheit waltete, wurde beim „Love Story Project“ deutlich. Der 30-jährige Berliner Florian Thalhofer und der 25-jährige Mahmoud Hamdy befragten in Deutschland und Ägypten junge Leute aus ihrem Freundes- und Bekanntenkreis zum Thema Liebe. Per Mausklick kann man sich an zwei Bildschirmen durch rund 30 Interviews klicken, die wiederum thematisch miteinander vernetzt sind. Dadurch entsteht eine unlineare Erzählstruktur, die Thalhofer schon in seinem preisgekrönten Projekt „Small town“ umgesetzt hatte. Mahmoud Hamdy interessierten bei diesem Gemeinschaftsprojekt die kulturellen Unterschiede. „Wir stellten uns die Frage: Stimmt es eigentlich, dass Liebe je nach Kultur und Gesellschaft variiert, oder ist sie immer gleich?“ Herausgekommen sind dabei interessante Statements. Romantisch geben sich die Menschen aus beiden Kulturkreisen. Das Thema Sex blieb erstaunlicherweise bei allen Befragten ausgespart oder wurde in Metaphern verpackt. Wesentlich grüblerischer gaben sich die Deutschen als ihre Altersgenossen vom Nil. Und die Ägypter fanden am Ende immer ihre große Liebe – oder hoffen noch drauf. Kurz vor der Ausstellungseröffnung musste vorsorglich ein Statement aus den Interviewsequenzen herausgeschnitten werden. Ein Deutscher hatte beim Thema „Liebe und Hass“ den Hass folgendermaßen beschrieben: „So wie einige Muslime, die ins World Trade Center flogen.“

Kleine Missstimmungen bei einem Erfolgsprojekt. „Wir sprechen als Künstler eben eine Sprache“, erklärte der Bildhauer Bruno Wank. Vermutlich spielte aber auch eine Rolle, dass sich die Beteiligten sehr nahe waren: Künstler – weltoffen und weitgereist.

Eigentlich sollte das Taxi im Gästezimmer des Instituts oben auf dem Dach eingemauert werden. Doch die Statik ließ dies nicht zu. Deshalb wurde es über eine aus Holz gebaute Rampe in einer Nacht-und-Nebel-Aktion ins Büro gefahren. Mit Vollgas, versteht sich. Manchmal ist eben auch Unmögliches möglich.

www.goethe.de/kairo Für dieses Jahr ist geplant, aber noch nicht finanziert, dass die ägyptischen Künstler nach Deutschland kommen, u. a. nach München. Im Herbst 2004 wird das Projekt im Rahmen der Kulturtage in Ägypten fortgesetzt.