Der Widerspenstigen Zähmung

Bei Union Berlin scheint nach der Winterpause alles wieder im Lot. Die Mannschaft wurde ergänzt, die Spielergehälter sind gekürzt, die Viererkette ist eingeführt. Alles paletti also, wenn die Berliner das Auftaktspiel gegen Mainz nicht verloren hätten

von JÜRGEN SCHULZ

War alles nur ein Sturm im Wasserglas? In der Vorweihnachtszeit gingen beim 1. FC Union bekanntlich die Wellen hoch: Die Mannschaft lehnte kollektiv eine vom Präsidium aus Angst vor der drohenden Insolvenz verordnete Gehaltskürzung um 20 Prozent ab. Doch der bundesweit beachtete Spieleraufstand zerbröselte bis zum Trainingsauftakt am 4. Januar. Aus Angst um ihren Arbeitsplatz in der von Krisen geschüttelten Branche stimmten die Profis am Ende einem fünfprozentigen Lohnverzicht zu.

Wohl eher mangels Alternativen denn aus Liebe zum Verein. Vor wenigen Tagen unterschrieb mit dem Holländer Youssef El Akchaoui auch der letzte Rebell in Köpenick einen Änderungsvertrag. Hingegen wurde der als vermeintlicher Torschützenkönig gefloppte Petar Divic, bis dato mit 7.600 Euro monatlich die Nummer eins auf der Gehaltsliste, zu Beginn des neuen Jahres zum Zweitliga-Konkurrenten Eintracht Trier transferiert. Den Platz des Serben im Union-Kader nahm Florian Bruns vom SC Freiburg ein, der sich im Trainingslager auf Mallorca prompt die Hand brach und pausieren muss.

Trotzdem scheint bei Union wieder alles im Lot. „Der Etat für die laufende Saison ist gedeckt“, meinte ein erleichterter Union-Vizepräsident Bernd Hofmann nach dem Nerven aufreibenden Geld-Poker zwischen den Jahren. Hofmann hatte die Verhandlungen mit Geschick zu einem guten Ende geführt, nachdem sich das Hauruck-Verfahren von Präsident Heiner Bertram als wenig hilfreich herausgestellt hatte.

Als Sieger durfte sich auch Mirko Votava fühlen. Musste der Berliner Trainer zunächst befürchten, ohne konkurrenzfähigen Kader in die Rückrunde zu starten, so löste der Widerspenstigen Zähmung am Verhandlungstisch bei dem gebürtigen Tschechen einen unerwarteten Modernisierungsschub aus: Bei Union will er in Zukunft auf eine Viererkette in der Abwehr bauen.

Nach der Generalprobe im Testspiel gegen Bundesligist 1860 München (0:1) staunte Systemveränderer Votata über die Früchte seine Revolution: „Ich bin selbst überrascht, wie gut das klappte.“ Mit dem alten Libero-System kassierten die Berliner immerhin 33 Gegentreffer in 17 Partien – die viertschlechteste Halbzeit-Bilanz aller Zweitliga-Vereine.

Dass Votava auch gestern zum Rückrunden-Start in Mainz mit neu formierter Aufstellung antreten wollte, entbehrte nicht einer gewissen Pikanterie. Die Rheinhessen wollten sich mit Nachdruck für die ihrer Meinung nach unsportliche Behandlung in der Hauptstadt revanchieren, wo die Mannschaft in der Vergangenheit von Union-Fans angepöbelt und die Scheibe ihres Mannschaftsbusses demoliert wurde. „In Mainz“, ahnte Votava vor der Abfahrt, „geht’s Auge um Auge, Zahn um Zahn.“ Doch die Mainzer Revanche gelang. Union verlor mit 1:0.