die steile these
: Tja, was soll man da machen?

Patriotismus hin, Deutschland her: Der 3. Oktober muss endlich ordentlich gefeiert werden

Einmal im Jahr gibt es den Bericht zum Stand der deutschen Einheit. Da verkündet dann jemand von offizieller Stelle: „Es wurde viel erreicht, es gibt noch viel zu tun“, und ein paar Tage später gibt es dann den Festtag zur deutschen Einheit. Das heißt im Klartext: Jeder, der nicht arbeiten muss, hat frei. So kann das nicht weitergehen.

Der 3. Oktober muss endlich ordentlich gefeiert werden. Und nein: Eine 1,5 Kilometer lange Fanmeile, wie sie gerade in Berlin am Brandenburger Tor aufgebaut wird, ist nicht die Lösung. Fans wovon denn bitte? Von „Union Deutschland“? Nur weil man Würstchenbuden an Bierstände reiht, hat man noch keine Party.

Private Rituale müssen her. Wer aus dem Osten kommt, der hat üble Erinnerungen an den von öffentlicher Hand organisierten Nationalfeiertag. Es wurde im FDJ-Hemd aufmarschiert, ein Transparent geschwungen und für die „unverbrüchliche Bruderschaft“ mit diesem oder jenem demonstriert.

Hätte man den Nationalfeiertag auf den 9. November gelegt, so wäre ein hübsches Ritual das kollektive Erstürmen der nächsten Mauer gewesen. Man hätte Bananen verteilen können oder Autokorsos auf dem Kurfürstendamm veranstalten können. Der „Tag des Beitritts“ bietet sich jetzt erst mal nicht so sehr für ein Ritual an. Etwas beizutreten ist ja nicht feiertagfüllend.

Als Hymne für den 3. Oktober schlägt mein Freund den „Sonderzug nach Pankow“ vor. Danach soll man 10 Städte in den alten respektive neuen Bundesländern aufsagen – und dann per Telefonbuch jemanden aus Weimar oder Wuppertal anrufen und sich gegenseitig beglückwünschen.

Eine Blitzumfrage im tiefsten Westen der Republik – Was machen Sie am 3. Oktober? – ergab Folgendes: „Das ‚Leben der Anderen‘ anschauen“, „Nix“, „Was soll man denn da machen?“, „Meine Gehaltsbescheinigung rausholen und den Soli anstreichen.“ Im Westen erinnerte man am Nationalfeiertag früher interessanterweise an einen Aufstand im Osten: am 17. Juni 1953. Begangen wurde dieser Tag ganz schlicht, nämlich gar nicht.

JUDITH LUIG