Ab jetzt ist Sampo drin, wo Grundig draufsteht

Für 100 Millionen Euro ging der deutsche Traditionskonzern an das taiwanische Unternehmen Sampo

NÜRNBERG taz ■ Die Erleichterung ist den Beschäftigten von Grundig anzumerken: der neue Eigentümer will keine weiteren Jobs abbauen. Anscheinend noch mal Glück im Unglück gehabt. Doppelt sogar, denn erstens konnten die Reste des einst stolzen Konzerns kurz vor der Insolvenz verkauft werden. Zweitens bleibt wohl ein weiteres Gesundschrumpfen aus.

Der neue Eigentümer Sampo hat gerade mal 100 Millionen Euro bezahlt. Das erscheint der Taipei Times trotz der hohen Schuldenlast wenig: Mit Grundig werde eine erstklassige Traditionsmarke mit einem hervorragenden Vertriebsnetz aufgekauft. Sampo sei wie andere asiatische Firmen zwar stark im Fabrizieren, aber nicht in der Etablierung einer Marke.

Sampo-Chef Ho Heng-chun und der Vorstandsvorsitzende Hans Peter Kohlhammer erklärten unisono, dass Grundig nun schon schlank genug sei und keine weiteren Stellen abgebaut würden. Eine Version, die zumindest von Insidern bezweifelt wird. So sei der Vertrieb heute sehr stark auf Deutschland orientiert (20 Prozent Marktanteil), aber wenig auf den europäischen Markt. Hier werde es wahrscheinlich zu einer Umorientierung kommen, die auch Jobs in Deutschland kosten könnte. Ebenso müsse sich die Entwicklungsabteilung erst noch beweisen, heißt es bei Insidern.

Im Vertrag sollen Klauseln verbrieft sein, die Sampo den Ausstieg ermöglichen könnten, falls das Klassenziel nicht erreicht wird: schwarze Zahlen ab 2005. Schaffen will dies Sampo unter anderem durch einen erhöhten Umsatz, indem Grundig-Geräte in China verkauft werden. Umgekehrt sollen Waschmaschinen und Kühlschränke von Sampo unter dem Markennamen Grundig in Europa vertrieben werden. Ein Konzept, das nicht unbedingt aufgehen muss, wie Branchenkenner urteilen.

Nur allzu leicht wurden die hohen Löhne in Deutschland als Ursache für den Erfolg der Konkurrenz aus Fernost ausgemacht. Es wurde übersehen, dass dort wesentlich modernere und größere Produktionslinien als bei Grundig stehen. Zudem begünstigten Wechselkursverhältnisse lange Zeit asiatische Verkäufe auf dem europäischen Markt. Bei Grundig kamen selbst gemachte Managementfehler dazu. Philipps – 25-prozentiger Anteilseigner und damit industrieller Führer – musste zwölf Jahre lang Milliarden in die Grundig-Tochter pumpen, um deren Pleite abzuwenden. Erst nachdem Phillips 1994 Grundig abgestoßen hatte, kamen wieder bessere Zeiten.

Doch diesmal wurden die Gewinne offensichtlich nicht sinnvoll investiert. Zum Beispiel Wien: Mit großem Aufwand wurde dort ein neues Werk gebaut, das danach als Vorbedingung des Deals mit Sampo wieder verkauft werden musste. Es war einfach zu unrentabel.

Zum Beispiel Marketing: Um den Erfolg des Konkurrenten Loewe auf dem Premium-Markt zu kopieren, holte sich Grundig den Loewe-Marketingchef ins Haus. Abermals ging die Rechnung nicht auf. Schließlich war Loewe viel kleiner als der Vollsortimenter Grundig, der nicht einfach die gleiche Nische besetzen konnte. Und die muss auch kein Erfolgsgarant sein: Aktuell ist Loewe mit einer Umsatzsteigerung von nicht mal einem Prozent alles andere als vorzeigbar.

Sosehr die Belegschaft schon mit freiwilligen Lohnverzichten geblutet hat, wie sehr die IG Metall Grundig mit einem Haustarifvertrag entgegenkam, an einer bitteren Wahrheit kommt niemand mehr vorbei: in ganz Europa gibt es keine Zukunft mehr für eine eigene Fernsehgeräteproduktion. Die Alternative für Grundig wäre gewesen, zum richtigen Zeitpunkt die Produktion nach China oder in ähnliche Länder zu verlagern. Nun holt das eben Sampo von der anderen Seite der Welt nach. CORELL WEX