Thermen in jeder Himmelsrichtung

In Brandenburg werden immer mehr Wellness- und Spaßbäder aus dem Boden gestampft. Noch stimmen die Besucherzahlen, doch könnte schon bald ein Überangebot drohen. Bad Liebenwerda und Rheinsberg wollen ebenfalls Kuranlagen bauen

von CHRISTINE BERGER

Wenn Bärbel Mann aus dem Fenster schaut, geht ein zufriedenes Lächeln über ihr Gesicht. „Vierzig bis hundert Berliner“ marschieren da jeden Tag vom Bahnhof Richtung Kristalltherme. „Der Bedarf ist da“, resümiert die Geschäftsführerin des Brandenburgischen Bäderverbandes mit Sitz in Bad Wilsnack.

Und nicht nur in der Prignitz läuft das Geschäft mit den Badetouristen gut. Auch in Bad Saarow, Templin und Belzig strömen rund 1.000 Besucher täglich in die dort ansässigen Wellnessparadiese. Baden im wohltemperierten Solewasser, medizinisch-therapeutische Anwendungen mit Steinen, Kristallen oder Ölen und nicht zuletzt die Saunalandschaften locken Berliner und Brandenburger vor allem im Winter. Da stören anscheinend auch nicht die hohen Preise von rund 11 Euro Eintritt für zwei bis vier Stunden und ein langer Anfahrtsweg. „Wir profitieren von den Bäderschließungen in Berlin“, so Mann.

Damit sich die Thermalbäder nicht gegenseitig Konkurrenz machen, hat jede Anlage ein anderes Konzept. Spielt etwa in Templin mit Wellenbad und Rutschen auch der Spaßfaktor eine Rolle, setzen die Betreiber in Bad Wilsnack eher auf Rekreation mit Heilsole und Gradierwerk. Dementsprechend unterschiedlich ist auch die Klientel der Bäder. „Nach Bad Wilsnack kommen ältere Besucher“, so Bärbel Mann, während in Templin eher Familien anzutreffen seien.

Rund 125 Millionen Euro wurden laut Auskunft des brandenburgischen Wirtschaftsministeriums allein in den Bäderlandschaften Bad Saarow, Templin, Bad Wilsnack und Belzig verbaut. Der größte Anteil stammt aus EU-Mitteln und aus dem Fonds „Gemeinschaftsaufgabe Bund-Länder (GA)“. Oft gingen die Kommunen mit einer Eigenbeteiligung von bis zu 8 Millionen Euro kein geringes Risiko ein.

Doch die Flucht nach vorn hat sich bislang gelohnt: Die Bäderorte haben durch die Thermalanlagen nicht nur an Tagesgästen gewonnen, auch die Übernachtungszahlen stiegen überall. Hotels und Pensionen stehen laut Bäderverband mit rund 50 Prozent Auslastung deutlich besser da als anderswo. Rund 5.000 Arbeitsplätze entstanden im Brandenburger Kur- und Bäderwesen samt angrenzenden Branchen.

Kein Wunder, dass das Geschäft mit der Schönheit und Fitness auch bei der Tourismus-Marketing Brandenburg GmbH eine große Rolle spielt. „Ein bedeutender Teil unseres Geschäftes läuft über Wellness“, so Pressesprecher Christian Tänzler. Gesundheitsreisende machen in Brandenburg wie auch im Bundesdurchschnitt 15 Prozent der Übernachtungen aus.

Heiß begehrt ist deshalb für viele Gemeinden der Kurortstatus. So hofft unter anderem auch Rheinsberg in naher Zukunft als Erholungsort bekannt zu werden. Pläne für ein neues Thermalbad liegen schon bereit. In Bad Liebenwerda wiederum ist gerade das Kurmittelzentrum im Bau, das im Herbst dieses Jahres fertig gestellt werden soll. Die Investitionssumme beläuft sich auf rund 15 Millionen Euro.

Bärbel Mann sieht den Bestrebungen mit gemischten Gefühlen entgegen. „Wenn Rheinsberg gebaut wird, ist der Markt gesättigt“, meint sie. Zumal fast jede größere Gemeinde sich mittlerweile ein Plantschbad genehmigt, das ebenfalls Besucher anzieht. „Trittbrettfahrer“ nennt sie die Kommunen, die mit Riesenrutschen und Whirlpools um Kunden buhlen.

Damit dem wellnessinteressierten Gast keine Mogelpackung geboten wird, hat der Bäderverband einen 10-Punkte-Kriterienkatalog aufgestellt und ein Zertifikat namens „Wellness im Kurort“ erarbeitet. Unter anderem werden darin ganzheitliche medizinische Kompetenz, natürliche Heilmittel und persönliche Gestaltungsmöglichkeiten für den Kurenden eingefordert. „Es reicht nicht, nur eine Sauna zu haben und das als Wellness zu verkaufen“, meint Tänzler.

Den wenigsten Gästen allerdings ist tatsächlich an einer ganzheitlich orientierten Entspannungskur gelegen. Gerade mal zweieinhalb Tage verbringen Besucher im Schnitt an einem Brandenburger Badeort. Die meisten wohl eher nur einen halben Tag. Dann nutzen sie die Sauna, buchen die eine oder andere Massage, sitzen im Whirlpool und fahren wieder nach Hause. Eine Änderung der ungesunden Lebensweise dürfte auf diese Weise kaum zustande kommen.