„Alles wurde plenar diskutiert“

taz: Herr Hartmann, Sie waren von 1985 bis 1987 der erste „Freigestellte“ der taz, praktisch Chefredakteur. Und Sie waren 1978 an der Nullnummer beteiligt. Gefällt Ihnen die Seite 1?

Thomas Hartmann: Na ja, wir waren ja heilfroh, dass wir sie überhaupt zustande gebracht haben. Allein diese Ausgabe zu machen hat fünf Tage gedauert, etwa 100 Leute mussten entscheiden, was von der Masse an Manuskripten konkret gedruckt wird, und das fast immer basisdemokratisch. Alles wurde plenar diskutiert. Denn wir hatten eine unglaubliche Scheu vor Autoritäten.

Im Editorial heißt es: „Vier Tage haben wir uns für Diskussionen Zeit gelassen. Das war wichtig.“

Es waren eben 50 Leute in der Zentralredaktion in Frankfurt am Main, die vor allem politisch engagiert waren. Kaum jemand hatte eine journalistische Vorbildung. Das Handwerk fehlte.

Alle journalistische Stümper?

Wir hatten damals das Prinzip der Betroffenheits-Berichterstattung, dass also die in den einzelnen Städten schreiben sollten, die selber von einer Entwicklung betroffen waren. Von außen sollten die Berichte kommen, doch wir in der Zentralredaktion mussten entscheiden, was ins Blatt kommt.

Da ist Streit programmiert.

Ja, zumal wir ja alle verschiedene politische Positionen hatten. Deshalb rangen wir zum Teil um jedes Wort, denn in ihnen spiegelten sich ja, wie bei Parteien, die politischen Positionen.

Die Meldung über die Werften klingt so, als erhofften die Redakteure die nahe sozialistische Revolution.

Die Gründungs-tazler verstanden sich meist als Linke, einige auch recht traditionell, die meisten allerdings eher als linke Spontis. Wir sahen die Zeitung als ein Instrument der Gegenöffentlichkeit für eine revolutionäre Bewegung.

Das Thema Frauenbewegung fehlt. Wurden die Frauen ausgebootet?

Sie waren zumindest nicht die Stärksten. Frauenthemen fehlten am meisten in der ersten Ausgabe.

INTERVIEW: PHILIPP GESSLER

THOMAS HARTMANN, 61, war von 1985 bis 87 der erste Chefredakteur der taz. Heute organisiert er die taz-Reisen in die Zivilgesellschaft.