Feldherrenhügel für die halbe Welt

Eine der wichtigsten Kommandozentralen für den Irakkrieg sitzt in Stuttgart. Das „European Command“ würde etwa die Aktionen der US-Streitkräfte in der Türkei oder auf Zypern koordinieren. Zweiter Teil der taz-Serie „Stützpunkt Deutschland“

Die Welt ist sauber aufgeteilt. Präzise abgegrenzt sind die „Verantwortungsbereiche“ der „regionalen Kommandos“, die das Pentagon eingerichtet hat. „European Command“ (Eucom) heißt eine dieser Kommandozentren der US-Streitkräfte; es ist für ein weit größeres Gebiet zuständig, als es der Name vermuten lässt. Denn nicht nur Europa gehört zum European Command, sondern auch Afrika, Russland, die ehemaligen Sowjetrepubliken in Zentralasien sowie Israel, Syrien und Libanon.

Insgesamt 93 Länder und abhängige Territorien umfasst die Eucom-Zone – und das dort aktive US-Militär wird nicht etwa von den Vereinigten Staaten aus koordiniert, die Fäden laufen in Baden-Württemberg zusammen. Der virtuelle Feldherrenhügel für alle Aktionen der Air Force, der Army und der Navy zwischen Grönland und Bering-Straße, Nordkap und Kap der Guten Hoffnung liegt im Stuttgarter Stadtteil Vaihingen. Seit 1967 hat das Eucom in den „Patch Barracks“ sein Hauptquartier, etwa 1.200 Offiziere aller Waffengattungen arbeiten dort.

Sie koordinieren US-Stützpunkte, die der derzeitige Eucom-Kommandeur, Joseph Ralston, im Oktober letzten Jahres als „extrem wichtig“ bezeichnete. Denn bei einem Krieg gegen den Irak, so der Luftwaffengeneral, käme den europäischen Einrichtungen eine „zentrale Rolle“ zu.

Schon jetzt ist das Stuttgarter Kommando eine Schnittstelle für die Bombardements der US Air Force auf Flugabwehrstellungen im Norden Iraks. Denn Eucom koordiniert unter anderem die so genannte Operation „Northern Watch“ – also die Kontrollflüge in der nördlichen Flugverbotszone, die Washington einseitig festgelegt hat. Nach eigener Darstellung beteiligt sich Eucom darüber hinaus auch an der Operation „Southern Watch“ im Süden des Irak; das Oberkommando hat hier aber das „Central Command“ (Centcom), das für den Nahen und Mittleren Osten zuständig ist.

Sollten die gelegentlichen Luftangriffe auf Nordirak, die von der türkischen US-Basis Incirlik aus geflogen werden, zu einem offiziellen Krieg ausgeweitet werden, dann würden diese Einsätze von Stuttgart aus koordiniert. Dieser Ansicht sind zumindest amerikanische Militäranalysten. Sie prognostizieren, dass die geografischen Zuständigkeiten der regionalen Kommandos bestehen bleiben würden. Eucom müsste demnach keine Kompetenzen an das Centcom abgeben, das durch den Golfkrieg 1991 und den Afghanistankrieg bereits einsatzerprobt ist.

Eucom würde auch die US-Bodentruppen in der Türkei kontrollieren, falls die Regierung in Ankara einem Aufmarsch an der Nordgrenze des Irak zustimmt. Sollte es – so die geplante Alternative – zu einer Stationierung von US-Truppen auf Zypern kommen, würde sich an der Zuständigkeit des Stuttgarter Hauptquartiers nichts ändern.

Absolut unersetzlich, so die US-Militäranalysten, sei keine der regionalen Kommandozentralen. Dazu ist die globale Infrastruktur der US-Streitkräfte ausreichend „redundant“. Planungszentren lassen sich ohnehin problemloser verlegen als etwa eine Luftwaffenbasis. Dennoch scheint Nähe ein wichtiger strategischer Faktor zu bleiben, obwohl die Welt des US-Militärs durch die besten Kommunikationsmittel vernetzt ist. Nicht zufällig liegt Eucom nicht weit entfernt von den europäischen Hauptquartieren der US Air Force in Ramstein und der US Army in Heidelberg.

Wie wichtig kurze Wege immer noch zu sein scheinen, zeigte sich erst vergangene Woche: Normalerweise residiert der Oberbefehlshaber des Centcom in Tampa in Florida, doch nun begann Tommy Franks damit, einen Teil seines Stabes in eine Außenstelle in Katar zu verlegen, die eigens für einen potenziellen Irakkrieg eingerichtet worden war. Ein paar Flugstunden und Zeitzonen weniger zwischen Kriegsgebiet und Kommandozentrale erleichtern offenbar die Kriegsführung – selbst für eine global bestens vernetzte Streitmacht. ERIC CHAUVISTRÉ