Grüne Spätzünder

Die Bremer Grünen führen „eine zivilisierte Auseinandersetzung“ um die Irak-Frage. Auf der Mitgliederversammlung in einer Woche sind Redeschlachten zum Thema Krieg nicht vorgesehen

Ein bisschen abgegriffen klingt es schon, wenn die Fraktionsvorsitzende der Bremer Grünen Karoline Linnert sagt, Krieg sei die ultima ratio, die sie deswegen auch nicht komplett ablehne. Auch nicht im Fall Irak. Nach der Politikfähigkeit kommt die Weltpolitikfähigkeit, das gilt fürs kleine Bremen genauso. Nicht alle Fraktionskollegen teilen ihre Haltung, öffentlich austragen wollen sie ihren Streit aber – vorerst – nicht.

Auf der Mitgliederversammlung am nächsten Samstag sind „Redeschlachten“ zum Irak nicht geplant – es bliebe sonst nicht genug Zeit zur Diskussion des grünen Programmentwurfs für die nächste Bremer Legislaturperiode. Ein Antrag, der gestern von Abgeordneten gemeinsam mit dem Landesvorsitzenden Klaus Möhle vorbereitet werden sollte, ist ebenfalls ad acta gelegt. Im Kern sollte er Joschka Fischer an sein Versprechen erinnern, keine deutsche Beteiligung an einem Krieg gegen den Irak zuzulassen. Nachdem Fischer auf der Wörlitzer Klausur am vergangenen Donnerstag seinen Schwur erneuert hat, „war die Luft erst mal raus“, sagt Möhle. Die Angst vor einem Wortbruch des grünen Außenministers hätte sie noch zusammengehalten: die Realos, die wissen, dass nicht gehaltene Wahlversprechen des Teufels sind und die, die aus pazifistischer Überzeugung am Anti-Kriegs-Verdikt festhalten. Die Gemeinsamkeiten enden am nächsten Punkt: Wie soll die Bundesrepublik im Sicherheitsrat abstimmen?

Mit einer „Hamburger Erklärung“ haben sich linke Grüne und SPDler im Bundestag für ein striktes „Nein“ zum Krieg ausgesprochen. Karin Mathes, Umweltpolitikerin der Bremer Grünen, hat den Antrag mit unterzeichnet. Bei der Kandidatenaufstellung am 25. Januar will sie aber nicht mit Pazifismus punkten. „Ich konzentriere mich auf meine Kernkompetenz als Umweltpolitikerin. Aber wenn Fragen kommen, werde ich meine Position erklären“.

Linnert, die Listen-Erste in spe wird dann anderes sprechen: „Deutschland sagt zu allem ‚Nein‘ – das ist nicht meine Position. Ich halte das auch für unpolitisch.“ Wie viele andere, will sie die Ergebnisse der UN-Inspektoren abwarten. Ähnlich zurückhaltend reagiert sie auf die Demonstrationsaufrufe. „Die Grünen stellen den Außenminister“ – das Verhältnis zur Friedensbewegung sei entsprechend gespannt: „Ich werde mich nicht an Demonstrationen beteiligen, wenn dort eine anti-amerikanische Haltung herrscht“. „So denken doch nur ganz wenige“, hält Mathes dagegen, die „auf jeden Fall“ mitdemonstrieren will. Und auch Landesvorsitzender Möhle stellt klar: „Die Sorge, dass Kritik an Bush anti-amerikanisch ist, ist doch völlig unberechtigt“.

Um „Differenzierung“ geht es auch der wirtschafspolitischen Sprecherin der Grünen, Helga Trüpel – wenn auch aus einer anderen Richtung: „Wenn Bush der Cowboy wäre, zu dem ihn manche Linke machen, wäre der Krieg längst losgegangen.“ Dass die Amerikaner eine „Drohkulisse“ aufgebaut hätten, war ihrer Ansicht nach der richtige Weg: „Wie sonst hätte man die Inspektoren ins Land gekriegt?“ Auf eine Position zum Abstimmungsverhalten im Sicherheitsrat will sie sich daher auch nicht festlegen. Stattdessen will sie – wie die meisten ihrer FraktionskollegInnen – abwarten, wie der für den 27. Januar vorgesehene Bericht von Chefinspektor Blix ausfällt. Dann auch, in der ersten Februarwoche, soll es eine öffentliche Veranstaltung der Grünen zum Thema Irak geben. hey