Poesie in Grau

Der Fotograf Young Kyun Lim verficht einen strengen Realismus, gleichzeitig beweist er einen außergewöhnlichen Sinn für Zwischentöne. Unter dem Titel „Destiny“ sind die Bilder des Südkoreaners derzeit im Oldenburger Schloss zu sehen

Die Aufnahmen sind nie kalt, in ihrer Leere steckt so etwas wie Mitgefühl

Young Kyun Lim ist ein Realist. Er fotografiert die Dinge so, wie sie sind, puristisch. Ohne Filter. Lim ist Chronist. Das ist sein „Destiny“, sein Schicksal, so der Titel einer aktuellen Ausstellung, die das Oldenburger Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte derzeit im Dachgeschoss des Oldenburger Schlosses zeigt.

Aber der Südkoreaner Lim ist viel subtiler. Seine schwarz-weißen Momentaufnahmen bergen in sich Brüche, Ironie, Doppelbödigkeit. Er spürt Augenblicke auf, die den Charakter gültiger Aussagen haben.

Eine Hochglanzzeitschrift liegt auf einem Holzplafond, aufgeblättert. Da räkelt sich eine Frau, Überschrift: „Amerika“. Und auf das Arrangement fällt der Schatten des Photographen. Lim schafft ein Bild über Bilder: Durch den Schatten, durch das Doppelbelichten von etwas Vorgegebenem macht er den Prozess sichtbar. Er bricht die Ikonografie der Nach-Moderne und entlarvt ihre Trostlosigkeit.

In „Kyoto“ blüht ein Kirschzweig vor einem Fenster und spiegelt sich im Blick auf eine belebte Verkehrskreuzung. Tradition und Gegenwart, der Verlust der Sinnlichkeit – eine einfache Komposition. Dieses Aufeinandertreffen von scheinbar Unvereinbarem schafft spannungsreiche Momente voll Ironie und Witz: Im Florentiner Historischen Museum steht eine hehre Marmorbüste, daneben im Bild ist die Wand, mit abgebröckeltem Putz, das poröse Mauerwerk ist schon sichtbar.

Das Versprechen und die Realität: Ein „Public Bus“, der mit großen Versprechen beschriftet ist und Menschen durch die Gegen karrt, die müde und resigniert sind. Oder ein Bett in einem Hotel im Himalaya, schäbige Wände, schäbiges Bettzeug, aber auf dem Kissen eine Bordüre „With Love“.

Die Aufnahmen sind nie kalt, in dieser Leere steckt so etwas wie Mitgefühl. Lim ist Buddhist. Und der scheinbare Formalismus einiger Arbeiten wirkt nie kalt, er führt zu kompositorischer Klarheit, die Sinn für die Zwischentöne zulässt: In Young Kyun Lims großformatigen Portraits „Face of our time“, blicken junge Menschen aus Korea in die Kamera. Verschlossen wirken sie, dabei entschlossen und verbissen. Und dahinter sind sie: zutiefst verunsichert.

Dieses Dahinter sichtbar zu machen ist der mitfühlende, mal ironische Realismus Young Kyun Lims. Doch er kann es auch anders: Regenaufnahmen in Hangzou, verwischtes Dasein, Bäume wie Scherenschnitte, J.F.K-Airport. Aufgenommen mit großer Blende und Überblendungen, es entstehen Aquarelleffekte, Lichtstreifen wie Farbtupfer, Photographie wie gemalt. Poesie in Grau. Marijke Gerwin

noch bis zum 9. Februar im Dachgeschoss des Oldenburger Schlosses. Öffnungszeiten: Di-Fr 9-17 Uhr, Do 9-20 Uhr, Sa/So 10-17 Uhr. Führungen auf Anfrage unter ☎ 0441-2 20 73 00