Schlammschlacht mit Zahlen

Volksinitiative Pro-Gymnasien nutzt Daten einer SPD-Anfrage, um Gesamtschulen anzugreifen. Diese produzierten angeblich mehr Schulversager als das gegliederte System. Das Gegenteil ist der Fall

VON KAIJA KUTTER

Pünktlich zum Start des Volksbegehrens „eine Schule für alle“ legt Walter Scheuerl, der Sprecher der Volksinitiative „Wir wollen lernen“ eine härtere Gangart ein. „Die meisten Schüler ohne Hauptschulabschluss kommen von den Gesamtschulen“, betitelt er eine Pressemitteilung. Es sei erschütternd, dass die Volksinitive die Gesamtschule als „Zwangsmodell für alle Hamburger Kinder“ einführen wolle.

Scheuerl, der für den Erhalt der Gymnasien ab Klasse 5 kämpft, zitierte Zahlen aus einer Anfrage des SPD-Politikers Thies Rabe, in der die Absolventenzahlen des Jahres 2007 nach Schulen sortiert aufgeführt werden. Dabei ließ er es sich nicht nehmen, zu erwähnen, dass an der Max-Brauer-Schule in Altona 6,7 Prozent der Schüler keinen Abschluss habe – also die Schule, wo „der Ehemann von Schulsenatorin Christa Goetsch unterrichtet“. An den herkömmlichen Haupt- und Realschulen (HR) und Gymnasien seien es hingegen „nur 5,1 Prozent der Schüler, die keinen Schulabschluss schaffen“.

Den Lesern der einschlägigen Schulstudien ist auf Anhieb klar, dass ein solches Zahlenspiel hinkt. Denn so unschön es ist, dass auch an Gesamtschulen Schüler ohne Abschluss die Schule verlassen, so ist doch die Ausgangslage der Kinder zu berücksichtigen. Die Gymnasien, die fast alle Schüler mit Gymnasialempfehlung absahnen, haben so gut wie keine Risikoschüler. Die Gesamtschulen dagegen, nach den Gymnasien die am zweithäufigsten gewählte Schulform, haben in manchen Stadtteilen sogar mehr Risikoschüler als benachbarte Hauptschulen.

Rechnet man also die Gymnasien wieder raus, ergibt sich ein anderes Bild: Mit 19,6 Prozent entlässt die Hauptschule die meisten Kinder ohne Abschluss, an den Gesamtschulen sind es im Schnitt 7,9 Prozent.

Auch die Zahl der herausgepickten Max-Brauer-Schule ist unkorrekt. Nicht neun, sondern acht Schüler der 9. und 10. Klassen verließen 2007 die Schule ohne Abschluss. Das sind bei 135 Schülern 5,9 Prozent. „Es ist eine Zahl, mit der Politik gemacht wird“, sagt der Abteilungsleiter der 8. bis 10. Klassen, Wolf Lüders. „Man müsste aber die einzelnen Fälle anschauen“. Es gebe Gründe wie Krankheit oder auffälliges Sozialverhalten, die dazu führten, dass der Beratungsdienst nicht mehr in der Lage sei, so wie nötig zu betreuen.

Genau genommen sind auch die 5,9 Prozent nicht richtig, führt doch die Schulstatistik jene Gesamtschüler, die nach Klasse 10 in die Oberstufe wechseln, nicht als Abgänger auf, dafür aber die Abiturienten des vorvorletzten 10. Jahrgangs.

„Diese Zahlen müssen zu Missverständnissen führen“, kritisiert Jürgen Riekmann von der Gesamtschulgesellschaft GGG. Aussagen über Abgängerzahlen ließen sich nur über ganze Schülerjahrgänge treffen.

„Wir sind uns einig, dass die Zahl der Schüler ohne Abschluss zu hoch ist“, sagt auch Claus Metzner von der Arbeitsgemeinschaft der Gesamtschulelternräte (ARGE). „Aber wenn schon, muss man ehrliche Zahlen nennen“. Scheuerl nutze das Thema nur, um der Senatorin „eine rein zu würgen“.