„Kollektive Abrechnung“ mit tödlichen Folgen

Bei einer Razzia im Roma-Viertel einer rumänischen Kleinstadt werden zwei Menschen getötet. Die Regierung schweigt

BERLIN taz ■ Tatort Buhusi: Auf der Suche nach fünf Delinquenten stürmte die Polizei kürzlich das Roma-Viertel der rumänischen Kleinstadt. An der Aktion hatten fünfzehn Polizisten, achtzehn Mitglieder eines Sondereinsatzkommandos und vierzig Gendarmen teilgenommen. Jedes Haus wurde durchkämmt. Wer sich wehrte, wurde verprügelt. Die Polizei gebrauchte Feuerwaffen. Die durch die Aktion ausgelösten Ausschreitungen, an denen laut rumänischen Presseberichten 300 Roma beteiligt waren, forderten zwei Todesopfer und sechs Verletzte. Die beiden erschossenen Roma standen auf der Fahndungsliste. Ihnen wurden mehrere Raubüberfälle und Diebstahl zur Last gelegt.

Buhusi ist kein Einzelfall. In den letzten 12 Jahren gab es immer wieder Berichte über ähnliche Vorkommnisse. Unzufriedenheit und Frust entluden sich in pogromähnlichen Überfällen auf Roma, die als kriminell, arrogant, integrationsfeindlich und parasitär angesehen werden. Laut einer im September veröffentlichten Umfrage erklärten 37 Prozent der Mehrheitsbevölkerung, Roma verdienten es nicht, rumänische Staatsbürger zu sein. 36 Prozent der Befragten waren der Meinung, Roma hätten in Rumänien nicht einmal als Touristen etwas zu suchen.

Die Medien berichten fast täglich über die so genannte Zigeunerkriminalität. Diese rassistisch eingefärbte Berichterstattung befördert nicht nur Vorurteile, sondern heizt die ressentimentgeladene Atmosphäre auf und reduziert alle Hemmschwellen, wenn es darum geht, Roma auszugrenzen, zu diskriminieren oder tätlich anzugreifen.

In einer von der Roma-Organisation „Aven Amentza“ veröffentlichten Presserklärung zu den jüngsten Vorfällen in Buhusi ist von „einer primitiven kollektiven Abrechnung“ die Rede und von grobem Amtsmissbrauch der Behörden. Den rumänischen Medien wird vorgeworfen, den Rassismus zu fördern und den Hass gegen die Roma anzustacheln. Die Erklärung enthält zudem den Hinweis, der zügellose Rassismus der rumänischen Polizei sei Ergebnis der unbewältigten Vergangenheit, der nie kritisch aufgearbeiteten Tradition des 1942 vom militärfaschistischen Regime durchgeführten hauseigenen Völkermords an Juden und Roma und der in der Ceaușescu-Zeit gängigen Roma-Diskriminierung.

Ausgehend von der Feststellung, in Rumänien gäbe es einen „institutionalisierten Rassismus“, wird der jetzigen Regierung vorgeworfen, bei der Lösung des so genannten Roma-Problems versagt zu haben. Die Bukarester Regierung wird zudem aufgefordert, die „groben Rechtsverstöße“ der rumänischen Polizei während ihres Einsatzes in Buhusi öffentlich zu verurteilen. Es ist anzunehmen, dass die Regierung sich in Schweigen hüllt oder den Vorfall verharmlost.

Im November initiierte der Informatiker Valeriu Nicolae vom „Roma Protest Network“ eine von mehr als 400 Personen aus Rumänien und dem Ausland unterzeichnete Protestaktion. Die Unterzeichner des Schreibens, das auch an die zuständige Bukarester Ministerin für europäische Integration gerichtet war, kritisierten darin die Verfasserin eines Leitartikels, der in der Temesvarer Regionalbeilage der Tageszeitung Ziua erschienen war. In dem Editorial wird behauptet, die rumänischen Zigeuner besudelten bei ihren Auslandsreisen den guten Ruf der Rumänen. Um rechtschaffene Rumänen nicht weiter mit bettelnden und stehlenden Zigeunern zu verwechseln, forderte die Zeitung die Behörden auf, den Roma die Pässe wegzunehmen, ihnen keine Auslandsreisen mehr zu gestatten und „restriktivere Gesetze gegen Banditen“ zu verabschieden. Weder die Leitung der Zeitung noch das Integrationsministerium haben bislang auf den Brief reagiert.

WILLIAM TOTOK