Mit „Muschi“ zum Sieg

Eine neue Zeitschrift aus dem Springer-Verlag soll Frauen deutlich älter machen

Nicht zufällig trägt die Illustrierte den Kosenamen von Edmund Stoibers Gattin

Als die Führungsspitze der CDU kurz vor der letzten Bundestagswahl mit Vertretern des Springer-Verlags zusammenkam, knallten die Sektkorken. Zwar war der Vorsprung der Union im Elbe-Hochwasser geschrumpft und Stoibers „Äh“ zum Irakkrieg klang auch nicht gerade nach Kanzlerschaft. Springers Bemühen, die Union zur Regierungspartei zu schreiben, ließ jedoch keine andere Prognose als den Wahlsieg zu. Speziell Kai Diekmann, Chefredakteur des Wurfzettels der Union, hatte mit Bild nichts gescheut, um „Sozen“ und „Öko-Marxisten“ aus dem Reichstag zu schubsen. Zu Vertraulichkeiten soll es bei diesem Treffen auch gekommen sein. Intimitäten wurden ausgetauscht. Nur: Wer mit wem, das weiß man nicht mehr. Denn als man Anfang Oktober nach der Niederlage erneut zusammenkam, war Schluss mit Ringelpiez und Kameradenkuss. „Wie konnte das passieren?“, wollten nun auch die üblichen Schwarzgeldspender aus der Industrie wissen. Schließlich galt Bild bisher als zuverlässige Kanzler-Wichsmaschine.

Um die Stimmung aufzuheitern, erklärte die Vorsitzende der Frauen-Union, Maria Böhmer: „Den höchsten Stimmanteil holte die Union bei der Alterskohorte der über 60-jährigen Frauen aus Westdeutschland, deren Lebensgefühl haben wir getroffen.“ Hessens Ministerpräsident Roland Koch soll Böhmers Bemerkung als „Weibergewäsch“ abgetan haben. Schließlich könne er die Bevölkerung ja nicht bitten, „das Lebensgefühl einer 60-jährigen West-Schranze“ anzunehmen, damit die CDU die Hessen-Wahl im Februar 2003 gewinnt. Vom rüden Tonfall aufgeschreckt, soll Friede Springer gemurmelt haben: „Warum eigentlich nicht?!“ Was den anwesenden Spitzen aus Rüstungsindustrie, Hochfinanz und Union zunächst wie Altersstarrsinn anmutete, nahm schnell publizistische Formen an. Ein Springer-Redakteur schwärmte: „Wenn wir den Lesern verkaufen können, dass Ausländer Schmarotzer sind, Arbeitslose faul, Sozialhilfeempfänger Parasiten und die Amis nette Kerle, dann bringen wir sie auch dazu, sich wie 60-jährige Frauen aus Westdeutschland zu fühlen.“

Was so unglaublich wie eine Bild-Verleumdungskampagne klingt, wird noch vor den Landtagswahlen im Februar erscheinen und trägt nicht zufällig den Kosenamen von Edmund Stoibers Gattin: Muschi heißt die neue Frauenzeitschrift, mit der der Springer-Verlag bei jüngeren Frauen für das Lebensgefühl der über 60-Jährigen werben will. Mit Themen wie: „Menopause auf dem Bauernhof – jetzt lasse ich die Sau raus“ oder „von Hitler bis Hunzinger – Margarine im Wandel der Zeit“ will man der CDU die absolute Mehrheit bei den Wählerinnen sichern. Da durch Schwarzgeld von Liechtensteiner Konten finanziert, liegt Muschi mit 50 Cent dann deutlich unter dem Kaufpreis der jüngst gestarteten Illustrierten Woman von Gruner und Jahr.

Obwohl konservativ, will man bei Muschi dennoch nicht auf Reißerisches verzichten. Aufgemacht wird mit einer Geschichte über den Rebellen Friedrich Merz: „Ja, ich habe mein Mofa frisiert.“ Durch eine Enthüllungsserie über seine verstorbene Ehefrau will auch Helmut Kohl etwas zum Gelingen beitragen und erklärt: „Hannelore war kein Raver.“ Nach der wöchentlichen Kolumne Angela Merkels: „So halte ich meinem Mann die Stange“, heißt es dann im Reiseteil „Mit dem Bügelbrett durchs Memel-Land“. Sensationelles verspricht auch der Fortsetzungsroman. Nach Verhandlungen erwarb man die Rechte an Leni Riefenstahls Biografie „Ich wollte Deutschlands Einheit“. Zur Einführung Anfang nächster Woche, soll Muschi an ausgewählte Haushalte in Hessen und Niedersachsen gratis verteilt werden. ANDRÉ PARIS