Ein Haus für alle

Auf den 8. Hamburger Wohnprojekt-Tagen werden moderne Konzepte für ein gemeinschaftliches Leben vorgestellt. Genossenschaftliche Wohnprojekte gelten als Alternative zum Leben auf Miete

Eine Baugenossenschaft ist ein Zusammenschluss von Menschen, die gemeinsam wohnen, ein Haus bauen wollen und dafür zusammen Geld einbringen. Zu den Vorteilen zählt sicheres, unkündbares Wohnen und die Mitbestimmung in der Gemeinschaft.

Eine Genossenschaft zählt rechtlich als ein wirtschaftliches Unternehmen und kann von mindestens drei Mitgliedern gegründet werden. Es gibt meist einen Vorstand, der sich um die anfallenden Geschäfte kümmert, und einen Aufsichtsrat. Die Gründung einer Genossenschaft und die Verwaltung ist jedoch aufwendig. Daher gibt es im Baubereich einige Dachgenossenschaften. Diese schließen mit den Wohnprojekten Nutzungsverträge für die Häuser und übernehmen die Verwaltungsaufgaben. DAK

Von DANIELA KREBS

Wer kennt nicht das Gefühl der Einsamkeit in der Großstadt? Menschen sehnen sich oft nach einem nachbarschaftlichen Leben, wenn ihnen die Anonymität der Masse auf den Geist zu gehen beginnt. Das gemeinschaftliche Zusammenleben spielt dabei nicht nur für jüngere Menschen und Familien mit Kindern eine Rolle. Immer öfter sind auch ältere Leute auf der Suche nach Gemeinschaftswohnungen oder Wohnprojekten.

Zum achten Mal stehen in Hamburg am 26. und 27. September die Wohnprojekte-Tage auf dem Programm – und im Zentrum die Frage: „Wer baut für Benachteiligte?“ Eingegangen werden soll dabei auch auf die Probleme und Chancen einer integrativen Wohnungspolitik.

Hinter dem Begriff Wohnprojekt verbirgt sich eine breite Vielfalt an Wohnformen. Angefangen hat alles mit den Häuserbesetzungen in den 70er Jahren. Damals waren es meist junge Leute in Wohngemeinschaften. Heute sind Wohnprojekte die legalisierte Form des Zusammenwohnens von Familien, Freunden oder Einzelpersonen in einem Haus. Die Altersspanne der Bewohner reicht oft von Kleinkindern bis zu 80-Jährigen. Kinder erhalten so Altersgenossen, ältere Menschen Gesellschaft. Die Gruppen erhoffen sich ein Gemeinschaftsgefühl und durch die Wahlnachbarschaft ein besseres Zusammenleben. In Hamburg gibt es bereits etwa 100 realisierte Wohnprojekte. Etliche sind in Planung. Die Gruppen organisieren sich meist als unabhängige Genossenschaften. Auch um Kündigungen zu vermeiden.

Die Wohnprojekttage werden von der Stadtentwicklungsgesellschaft Stattbau Hamburg organisiert – alle zwei Jahre bietet sie diverse Informationsveranstaltungen für Projektgruppen und Interessierte an. Seit den 1980er Jahren unterstützt Stattbau Wohngruppenprojekte und hilft ihnen auf ihrem Weg zum Eigenheim. „Die Firma ist als Vermittler zwischen Projektgruppen und der Verwaltung entstanden“, sagt Britta Becher, Stadtplanerin bei Stattbau Hamburg.

Das Unternehmen wurde gegründet vom Hamburger Mieterverein „Mieter helfen Mietern“, dem Netzwerk Selbsthilfe und den Autonomen Jugendwerkstätten. „Wir haben die Entwicklung der Wohnprojekte in den letzten zwanzig Jahren begleitet, von den Altbausanierungen in ehemals besetzten Häusern, bis zu Neubauprojekten“, sagt Becher rückblickend.

In Hamburg gibt es mittlerweile ein Förderprogramm für Baugemeinschaften, das auch für Wohnprojekte gedacht ist. Anfangs sei die behördliche Förderung jedoch ein Problem gewesen, sagt Becher: „Man förderte nur Familienhaushalte. Für Wohngemeinschaften oder Alleinerziehende war es dagegen schwer, in eine genossenschaftliche Wohnung zu ziehen.“

Heute ist der akute Grundstücksmangel in Hamburg das größte Problem. Wohnprojekte können meist nur auf städtischen Grundstücken bauen, weil die Preise für Baugrund auf dem freien Markt zu hoch sind. „Dass wir am Anfang Wohnungsleerstand in der Schanze und in Altona hatten, kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen“, sagt Becher. Es dauert daher lange, bis die Wohnprojekte ein freies Grundstück erhalten.

Sie müssen sich bei der Agentur für Baugemeinschaften in der Stadtentwicklungsbehörde um ein Grundstück bewerben. Und dann heißt es Warten. Laut Stattbau dauert dies mindestens zwei Jahre. Doch oft auch länger, weiß Adrian Winnefeld vom Wohnprojekt „Strese 100“.

Die Gruppe bewarb sich 1994 um ein Grundstück. Acht Jahre später wurde ihnen eins angeboten, direkt am Fischmarkt. Die Stadt verkaufte das Gelände dann aber zum Höchstpreis, den das Wohnprojekt nicht zahlen konnte. „Erst nach zwölf Jahren haben wir das Grundstück an der Stresemannstraße bekommen“, sagt Winnefeld. „Wir sind jetzt aber überglücklich, dass es endlich geklappt hat.“ Die Gruppe konnte vor einigen Wochen mit etwa 50 Personen in das fertig gestellte Haus einziehen.

„Die Wartezeit ist eine schwierige Phase. Viele Gruppen brechen da auseinander“, sagt Becher. „Wenn man aber erst ein Grundstück hat und planen kann, klappt auch der Rest. Dann rückt das neue Wohnen in greifbarer Nähe“, sagt Becher.

8. Hamburger Wohnprojekte-Tage, Freitag, 26. September ab 15.30 Uhr; Samstag, 27. September ab 10 Uhr; Universität Hamburg, Department Wirtschaft u. Politik, Von-Melle-Park 9