Der Charme des Herrn Feldmann

Klagende Handwerker nehmen vor Gericht überraschend ihre Klagen zurück gönnen der Handwerkskammer einen vollen Erfolg im Streit um die Sonderabgabe

VON KLAUS WOLSCHNER

„Wir können uns auch nicht erklären, was die Kläger bewogen hat, ihre Klagen zurückzunehmen“, sagt Richter Volker Gehrke. Nach zwei Stunden Verhandlung in zwei Fällen dasselbe Ergebnis: Obwohl die Kammer des Verwaltungsgerichtes recht deutlich zu erkennen gegeben hatte, dass sie die Höhe der „Sonderabgabe“ zur Rettung ihres defizitären Berufsbildungszentrums für Handwerker, die die überbetriebliche Lehrlings-Unterweisung (ÜLU) gar nicht voll nutzen, für unangemessen hoch hält, zogen die beiden Handwerker ihre Klagen zurück. Die Summen, um die da gestritten wurde, waren nicht hoch: 484 Euro im Falle des Gerüstbauers Punke, 203 Euro im Falle der Kosmetikerin Schwarze. Es ging vor allem ums Prinzip. Um so überraschender das Einlenken auf dem Flur des Verwaltungsgerichtes.

Seine Mandantin, so der Anwalt der Kosmetikerin Valery Schwarze, sei Engländerin, habe nie eine Leistung der Handwerkskammer oder ihres Berufsbildungszentrums in Anspruch genommen und werde – da sie 64 ist und demnächst aufhört – auch keine Lehrlinge mehr ausbilden. Selbst wenn: Lehrlingsausbildung für Kosmetikerinnen gebe es gar nicht bei der Bremer Handwerkskammer. Warum also sollte sie eine „Sonderzahlung“ zur Deckung der Defizite des Bildungszentrums bezahlen?

Diese Defizite – unter dem Strich rund 1,8 Millionen Euro – waren durch Misswirtschaft entstanden, auch andere Handwerker waren im Jahre 2005/ 2006 dagegen auf die Palme gegangen und hatten ihre Zahlungen lange verzögert. Vor Gericht landeten aber nur rund 50 Klagen.

Als erster Fall wurde gestern der des Gerüstbauers Heinz-Hermann Punke verhandelt. Auch für dieses Gewerbe müsse die Handwerkskammer ihre Sonderumlage eigentlich differenzieren, meinte dass Gericht, der volle Satz sei überhöht, 25 Prozent weniger seien vielleicht angemessen. Kurze Beratung der Anwälte auf dem Flur – der Gerüstbauer zieht seine Klage zurück. „Ich weiß nicht, was auf dem Flur passiert ist“, sagt Richter Ingo Kramer – aber wenn der Kläger seine Klage zurück zieht, ist der Fall für das Gericht beendet.

„Vielleicht können Sie im Gespräch mit dem Anwalt der Kosmetikerin denselben Charme walten lassen“, scherzte der Richter dann, als der zweite Fall an den Punkt kam, an dem das Gericht eine gütliche Einigung anmahnte. 40 Prozent Abschlag wären eine Hausnummer, meinte er. Die Parteien gingen kurz vor die Tür und kamen zurück mit der Botschaft: Die Kosmetikerin zieht ihre Klage auch zurück.

„Wir zahlen natürlich gar nichts“, erklärte der Anwalt der Kosmetikerin nach dem schnellen Ende des Prozesses den Hintergrund seines Einlenkens. Der Handwerkskammer-Präsident Joachim Feldmann interpretiert das Ergebnis anders: Die Handwerker hätten ihre Belange immer solidarisch geregelt, das hätten die klagenden Handwerker auf dem Flur auch eingesehen.

Diese Version bestätigt der Kläger Punke: „Wir haben vom Richter Recht bekommen mit unserer Klage, aber ich habe eingesehen, dass es für die Handwerkskammer sehr teuer ist, wenn ich nicht klein beigebe.“ sagt er. Aus „Gemeinverantwortung“ habe er nach der streitbaren Gerichtsverhandlung dann akzeptiert, die volle Summe zu zahlen.

Dass vielleicht „die ganze Handwerkskammer über Kopf gegangen“ wäre, wenn der Gerüstbauer Punke nicht klein beigegeben hätte, das mag Richter Ingo Kramer nicht bestätigen: Von 5.000 Handwerkern haben nur noch 50 eine Klage anhängig, für alle anderen sind die Fristen abgelaufen. Die Forderungen an diese 50 Handwerker hätte die Kammer ohne Probleme abschreiben oder wie vom Gericht verlangt reduzieren können. So bleibt auch für ihn als Fazit über den Rückzug der Kläger: „Wir sind selbst erstaunt.“