heute in bremen
: „Katastrophen produzieren Ängste“

Beim Angst-Projekt am Klinikum Ost spricht Wolfgang Bonß über „Leben jenseits der Sicherheit“

taz: Herr Bonß, was macht den Menschen mehr Angst, Hartz IV oder der 11. September?

Wolfgang Bonß, Professor für Soziologie an der Bundeswehr-Uni, München: Da würde ich sagen Hartz IV. Aus einer aktuellen Erhebung geht hervor, dass die drohende Arbeitslosigkeit die Menschen am meisten beschäftigt.

Sie sprechen ausgerechnet heute, am 11. September, über Risiko und Angst in modernen Gesellschaften. Welchen Einfluss haben Anschläge und Katastrophen auf unsere Ängste?

Ich würde sagen, Katastrophen produzieren neue Ängste und sorgen dafür, dass sich Gesellschaften umorientieren. Ereignisse wie zum Beispiel das Erdbeben von Lissabon oder Tschernobyl haben nachhaltig das Denken verändert.

Was halten sie von der These, die US-Regierung habe den 11. September genutzt, um Angst zu schüren?

Wenn man sich die Entwicklung des Heimatschutzministeriums in den USA anschaut, könnte man Argumente für die These finden. Andererseits war für die USA der Anschlag tatsächlich eine traumatische Erfahrung.

Haben wir heutzutage eine besonders große Angstbereitschaft?

Die Ängste sind gestiegen, weil die Sicherheit des Lebens geringer geworden ist. Heute haben Menschen in ihrem Leben mehrere Partnerschaften und müssen fünfmal ihren Beruf wechseln. Andererseits kann man heute mehr aus seinem Leben machen als früher.

INTERVIEW: WENZEL HERZIG

Fragile Welten – Zustände von Angst, Kulturensemble Klinikum Ost. Themenabend: Haus im Park, 20 Uhr