Tatmotiv: Verlustangst

Vor dem Landgericht steht ein 48-Jähriger, der seine Ehefrau schwer verletzte, als sie die Scheidung wollte

„Ich habe meine Frau geliebt und liebe sie immer noch – ich wollte sie nicht töten“, beteuert Hossein D. am Freitag vor dem Landgericht. Trotzdem hat der 48-Jährige im April dieses Jahres auf seine Frau Mahin (40) acht Mal lebensbedrohlich eingestochen, als sie nach 22 Ehejahren die Scheidung wollte. „Ich war wie von Sinnen“, sagt D.. „Ich wollte sie nur verletzen“. Ob das stimmt, muss nun das Gericht klären. Denn die Anklage geht von versuchtem Mord aus.

Hossein D. sagt, dass seine Ehe lange glücklich gewesen sei. Zwar sei die Vermählung von den Familien arrangiert worden, doch um eine Zwangsehe habe es sich nicht gehandelt: „Beides waren moderne Familien und hätten ein ‚Nein‘ akzeptiert“. 1995 kam das Paar mit seinen drei Kindern nach Deutschland. Die Beziehung kriselte seit vier Jahren, als ihr Sohn bei einem Autounfall tödlich verunglückte. „Seither hat mich meine Frau abgewiesen, wenn ich sie ansprach.“ Auch neues Kinderglück habe keine gravierende Änderung gebracht.

Einen Monat vor der Tat habe er dann zufällig ein Foto gefunden, das Mahin D. mit einem Mann in Kuschel-Pose zeigte. Um seine Frau zur Rede zu stellen, habe er mit einem Messer gedroht, sich umzubringen. Sie habe ihm das Messer aus der Hand gerissen und die Polizei geholt. Am Tag der Tat, so sagt Hossein D., habe ihn ein weiterer Schock erreicht: Er erhielt ein Scheidungsschreiben des Anwalts von Mahin D. Daraufhin habe er die älteste Tochter gebeten, auf ihre Mutter einzuwirken.

Doch der Familienratschlag habe sie nicht umstimmen können. „Ich dachte, ich würde alles verlieren, so wie schon meinen Sohn“, sagt D.. Er habe nach langem Grübeln das Messer genommen – um seiner Frau „Angst zu machen“, als er sie im Badzimmer stellte und fragte: ‚Willst Du wirklich die Scheidung?‘. „Danach weiß ich nicht mehr, was passiert ist.“

Erst als seine Frau blutüberströmt zusammensackte, habe er begriffen, was geschehen sei und die jüngste Tochter beauftragt, die Polizei zu rufen. „Sie tat mir so leid“, beteuert D. „Wenn sie Ihnen so leid tat, warum haben Sie nicht die Polizei gerufen?“, fragt Richter Joachim Bülter skeptisch. Der Prozess wird fortgesetzt. MAGDA SCHNEIDER