Eine neue Ära beginnt in Angola

Zum ersten Mal seit 1992 schreiten die Angolaner an die Urnen und wählen ein Parlament. Angola hat sich vom Katastrophenland in ein Ölboomland verwandelt

Die Unita-Opposition deutet auf die zunehmende Kluft zwischen Arm und Reich

BRÜSSEL/LUANDA taz ■ Als in Angola zuletzt gewählt wurde, vor sechzehn Jahren, fing hinterher der Bürgerkrieg wieder an: Die damals vom Westen unterstützten Rebellen der Unita (Nationale Union zur Totalen Unabhängigkeit Angolas), die die damals sozialistische Regierung er MPLA (Angolanische Volksbefreiungsbewegung) bekämpften, erkannten ihre Niederlage nicht an und zogen sich zurück in den Busch. Jetzt, wenn am Freitag und Samstag die Angolaner zum ersten Mal seit 1992 wieder an die Urnen schreiten, soll alles ganz anders sein, erklärt der Informationschef der bis heute regierenden MPLA, Rui Falcao: „Es gibt keine objektiven Bedingungen für einen Krieg in unserem Land“, sagt er. Eine bewaffnete Rebellion gibt es nicht mehr. Falcao präzisiert: „Wer in Versuchung gerät, zu den Waffen zu greifen, wird am nächsten Tag sterben.“

Angola ist heute kein Bürgerkriegsland mehr, sondern Afrikas größter Ölförderer. Die Wirtschaft wächst pro Jahr um 25 Prozent, das ganze Land ist voller Baustellen. Die MPLA hat für den Fall eines Sieges bei den Parlamentswahlen – woran niemand zweifelt – den Bau von einer Million Sozialwohnungen versprochen und fließendes Wasser für alle. Die Regierungspartei sieht sich auch als Garant des harmonischen Zusammenlebens aller Angolaner – im Gegensatz zur Unita, heute politische Oppositionspartei, die zum Teil noch immer einen leicht xenophoben Diskurs pflegt, der Weiße und die in Angola zahlreichen Mischlinge – Nachfahren von Siedlerfamilien aus der portugiesischen Kolonialzeit – verschreckt.

Gewalt hat es im Wahlkampf nicht gegeben. Alle Kundgebungen blieben friedlich, auch die Großkundgebung der MPLA zum Wahlkampfauftakt am 2. August in Zango, einem Vorort der Hauptstadt Luanda, bei der 200.000 Menschen bei Bier für umgerechnet 0,20 Euro dem beliebtesten angolanischen Musiker Bonga lauschen konnten. Die einflussreiche katholische Bischofskonferenz rief alle Bürger auf, versteckte Waffen in den Kirchen abzugeben.

Die einzig ungeklärte Frage bei diesen Wahlen ist, ob die MPLA die absolute Mehrheit erreicht. Die Opposition führt „Akte der Intoleranz“ durch die MPLA in entlegenen Provinzen darauf zurück, dass die Regierungspartei sich da nicht so sicher sei. Alcides Sakala, Fraktionsführer der Unita im Parlament, spricht von einer „Strategie der Einschüchterung“ in den Südprovinzen Huambo und Benguela, wo Häuser von Unita-Aktivisten in Flammen aufgegangen seien. Er betont jedoch, er glaube nicht an einen neuen Krieg.

Vorteile zieht die MPLA aus ihrer absoluten Dominanz über Staat und Medien. Oppositionsparteien haben das Recht auf Sendezeit während des Wahlkampfs, aber außer in der Hauptstadt Luanda, wo es unabhängige Zeitungen und Rundfunksender gibt, hält der Staatsrundfunk ein Monopol, und er ist MPLA-treu. Der Unita-nahe Radiosender „Raio Despertar“ wurde am 8. Juli für sechs Monate abgeschaltet, weil er seine erlaubte Reichweite überschritten haben soll. Die MPLA hat schon vor dem offiziellen Wahlkampf ein Wahlkampfbudget von 300 Millionen Dollar zur Verfügung gehabt, gegenüber 50 Millionen für die Unita. Während des Wahlkampfs gilt eine staatliche Parteienfinanzierung von 17 Millionen, die sich alle 14 konkurrierenden Parteien und Bündnisse aufteilen.

Die Unita hofft wider alle Hoffnung. Sie deutet auf die zunehmende Kluft zwischen Arm und Reich: Während sich die von Öleinnahmen lebende Elite in immer neuen Villenvierteln und Shopping-Malls ausbreitet, leben 60 Prozent der Bevölkerung unter der Armutsgrenze und jedes vierte Kind stirbt vor seinem fünften Geburtstag.

Sicher ist, dass die Wahlen eine Gelegenheit zur Erneuerung der politischen Klasse darstellen. Die MPLA hat sich verjüngt und feminisiert; nur 40 Prozent ihrer bisherigen Abgeordneten treten erneut an. Die Unita hat sich in Richtung der Zivilgesellschaft geöffnet.

Die Wahl ist auch eine Gelegenheit für Angola, sein neues Selbstbewusstsein nach außen zu tragen. Angolas Staatsfirmen investieren in der Elfenbeinküste, Angolas Militär hilft den Regierungen von Kongo-Brazzaville und der Demokratischen Republik Kongo. Angola sieht sich als strategischer Partner für die USA und China zugleich, dank seiner Vorrangstellung in der Ölförderung und seiner finanziellen und militärischen Macht. „Wir werden der Welt zeigen, dass wir reife Menschen sind, die unsere Unterschiede respektieren“, sagte Unita-Führer Isaias Samakuva bei einer Kundgebung. „Wir werden nicht dem schlechten Beispiel von Kenia und Simbabwe folgen.“ FRANCOIS MISSER