berliner szenen Noch mal Badetag

Kalt im Wannsee

Es ist einer der wirklich allerletzten warmen Tage und wir halten uns an Connies Rat und fahren raus zum Wannsee. Samt Badehose, Handtuch und dem Vorsatz, diesmal mindestens eine Stunde zu schwimmen. Auf der Wiese weichen wir den Menschenkörpern aus, die sich dem Sonnenrest entgegenstrecken, und im Wasser den schwabbeligen Algengebilden, die sich gern in Zehen verfangen.

Unsere erste Beobachtung: Senioren und Kinder unter Hüfthöhe sind mutiger als der Rest, wenn es darum geht, sich in die Kälte zu stürzen. Ein Mädchen, das sich von seinem athletischen Opa auf einer grünen Luftmatratze durch das grünere Wasser ziehen lässt, fragt, ob es auch in Deutschland Nessies gibt. Wir beschließen, umzudrehen und zu unserem Handtuchlager zurückzuschwimmen. Dabei stellen wir fest, dass das Wasser viel sauberer aussieht, wenn man nicht gegen die Sonne schwimmt. Aber auch die senkt sich langsam und die ersten Eltern werden ungeduldig.

Wir trocknen uns ab und befreien unsere Körper gegenseitig und liebevoll wie sich lausende Affen von Blättern. Dabei werden wir von der Schimpftirade einer Mutter begleitet, die ein Problem mit ihrem Sohn hat. Die Mutter ist bereits angezogen und hat sich ihre zwei Rucksäcke umgeschnallt. Unter ihrem einen Arm klemmt ein Schwimmreif, unter dem anderen eine Tochter. Der Sohn steht nackt und triefend vor ihr und weigert sich, was Richtiges anzuziehen. Auch die Drohung „Dann lauf ich halt so mit dir durch den Wedding“ scheint ihre Wirkung zu verfehlen.

Als wir später am Abend vorm Kino auf unsere Verabredung warten, rennt ein nackter Mann vorbei. Er kommt sicher nicht von einem Tag am Wannsee. Dafür ist er zu blass. LENA HACH