Der Reaktor, der zum Denkmal wird

Es war schon immer eine glänzende Idee, Atomreaktoren umzurüsten und neuen Zwecken zuzuführen. Bestes Beispiel: die großartigen Wasserspiele von Kalkar. Aus der Bauruine des Schnellen Brüters erschuf ein findiger holländischer Investor einen Freizeit- und Familienpark. Die 1995 eröffneten Wasserspiele sind gut besucht, Störfälle eher selten. Der Schnelle Brüter hat damit doch noch eine sinnvolle Anwendung gefunden.

Mit dem US-Atomreaktor Hanford B im US-Bundesstaat Washington verhält sich das ganz anders. Der hat tatsächlich Plutonium erzeugt. Er soll jetzt als erster Atomreaktor der Welt unter Denkmalschutz gestellt werden. Man sollte dabei nicht unbedingt unterstellen, dass mit dieser Maßnahme vor allem der milliardenteure Abriss der Anlage und die Wiederherstellung der sprichwörtlichen grünen Wiese vermieden wird. Das ist eher ein Nebeneffekt.

Die Amerikaner meinen es ernst. Sie wollen jenen Ort für die Nachwelt erhalten, an dem ab dem 7. Juni 1943 das Plutonium für die Atombombe produziert wurde, die am 9. August 1945 auf Nagasaki abgeworfen wurde. Zuvor war die Bombe am 16. Juli 1945 in der Wüste von New Mexico auf ihre Zerstörungskraft getestet worden. Die Idee eines Denkmals ist gut, auch wenn dieser Ort alles andere als „eine Genieleistung der Ingenieurskunst“ war. So lautet aber die Begründung des US-Innenministeriums für die Unterschutzstellung jenes Reaktors, der zum berüchtigten Manhattan-Projekt zum Bau der Atombombe gehörte. Hanford B war damit Teil eines Massenmordes mit sechsstelliger Opferzahl.

Hier hatte das Herz des nuklearen Rüstungswettlaufs geschlagen. Hier begannen Wissenschaftler und Politiker mit der Maßeinheit „Megadeath“ zu rechnen, die Bezeichnung für eine Million Atomtote, die sich wie selbstverständlich in die Rhetorik der Abschreckungspolitik eingeschlichen hatte.

Historiker versuchen seit sechs Jahren die Zerstörung der Anlage durch Abriss und Entsorgung zu verhindern. Jetzt offenbar mit Erfolg. Hanford B könnte damit ein Ort des Gedenkens werden – auch wenn dies keineswegs die Absicht ist. Doch wie die Öffentlichkeit das Denkmal aufnehmen wird, ist womöglich nicht so einfach steuerbar. Vor allem für ausländische Besucher könnte aus der Genieleistung der Ingenieurskunst schnell der Ground Zero eines grausamen zivilisatorischen Verbrechens werden.

Noch ist aber nicht sicher, ob das Denkmal nach Abschluss aller Entsorgungsarbeiten auch tatsächlich für die Besucher freigegeben wird. Es wäre zu begrüßen. Die Leichenberge von Hiroshima und Nagasaki hätten eine neue Gedenkstätte wider Willen. MANFRED KRIENER