Uni Witten vergrault Sponsor

Die Universität Witten/Herdecke wehrt sich gegen die Übermacht ihres Sponsors. Anlass für den Finanzier, der bekanntesten deutschen Privatuniversität kein Geld mehr zu geben

Innovationsminister Andreas Pinkwart (FDP): „Wenn die Hochschule ihre Hausaufgaben macht, werden wir sie weiterhin unterstützen“

BERLIN taz ■ Die Zeiten für die bekannteste deutsche Privatuni Witten/Herdecke werden nicht leichter. Eine der wichtigsten Geldquellen für ihre Finanzierung ist versiegt: Das Unternehmen Droege International Group AG kündigte ihr die finanzielle Unterstützung auf. Von zugesagten 12 Millionen für sieben Jahre investierte die Droege AG erst 2,6 Millionen – das heißt, auf mittlere Sicht fehlen der ohnehin klammen Universität fast 10 Millionen Fördergelder. Die Droege AG sieht „keine Grundlage mehr für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit“, heißt es in einer offiziellen Stellungnahme.

Private Universitäten haben immer wieder mit finanziellen Problemen zu kämpfen. Zuletzt gingen mehrere Privatunis ein – oder wurden erst im letzten Moment gerettet, wie etwa die heutige Bremer Jacobs University, die nur durch eine 200-Millionen-Euro-Spende der Jacobs-Stiftung überleben konnte. Im Fall der Universität Witten/Herdecke tritt nun ein neues Problem auf: Wie tief darf ein Sponsor in die inneren Angelegenheiten der Universität eingreifen?

Es läge kein Finanzierungsplan für das Geschäftsjahr 2007/2008 vor, heißt es zur Begründung für die Trennung seitens der Droege AG. Auch habe die Hochschule vertragliche Vereinbarungen – wie etwa rigide Einsparmaßnahmen – nicht erfüllt. „So war beispielsweise die Entlassung von 90 Mitarbeitern vorgesehen, das konnten wir nicht hinnehmen“, sagt Universitätssprecher Bernd Frye. Durch diese „massive Einflussnahme in den Universitätsbetrieb durch Eingriff in die Organisationsstruktur“, so der Sprecher, sei das „Ideal eines freien Lernens“ nicht mehr gewährleistet.

Dabei galt die Firma für Unternehmensberatung, Droege AG, bei ihrem Eintritt in das Stiftungskuratorium vor einem Jahr als umjubelter Retter, der die finanziell stark angeschlagene Uni vor dem wirtschaftlichen Aus bewahrte und gleichzeitig inhaltliche Unabhängigkeit in Aussicht stellte. Doch die Hoffnungen auf den scheinbar uneigennützigen Mäzenaten wurden enttäuscht: „Förderungszusagen wurden mit hohen Auflagen belegt, Neuförderer nicht zugelassen und Altförderer ausgegrenzt“, heißt es hierzu von der Hochschule. Schon seit längerer Zeit gab es zwischen Uni und Sponsor Querelen.

Die Universität Witten/Herdecke finanziert sich zu einem Hauptanteil von 30 Prozent aus Spendengeldern, zusätzlich sichern Gelder aus der Landesförderung, Studiengebühren und Forschungsförderprogramme ihre Existenzgrundlage. Die Droege AG strebte an, Hauptgesellschafter der Privatuni zu werden.

Um die feindliche Übernahme durch den Investor zu verhindern und einen möglichst hohen Anteil an der Universität in eigenen Händen zu behalten, bastelte diese im Geheimen aber schon an einem Selbsterhaltungsplan. Die Uni gründete die sogenannte Allianz für Bildung GmbH, die als Gesellschafter 50 Prozent der Hochschulstiftung übernommen hat. Mitglied dieser Anteilseigner ist unter anderem das Präsidium selbst. Die Firma Droege sah sich außen vor gelassen und befürchtete eine „Personalunion zwischen Geschäftsführung und Aufsichtsorgan“. Das Ende vom Lied: Sie entzog der Uni das Vertrauen – und die Millionen.

Ohne das Geld des Hauptsponsors muss sich die Universität, die bereits vergangenes Jahr „vor dem finanziellen Aus“ stand, nun allerdings neue Überlebensstrategien ausdenken. „Wir sind im Gespräch mit hochkarätigen neuen Sponsoren“, sagt Unisprecher Frye. Außerdem soll ein strikter Sparplan verfolgt werden. Die Studiengänge Musiktherapie und Biowissenschaft sind dem Rotstift schon zum Opfer gefallen. Die Uni will aber, trotz finanzieller Nöte, expandieren – um zu überleben: Bei einer Verdopplung der Studentenzahlen in den nächsten sechs Jahren von 1.200 auf 2.400 Studenten erhofft sich Witten, bald wieder schwarze Zahlen zu schreiben. Dazu werden auch die Studiengebühren kräftig erhöht. Bis jetzt bezahlt ein Student der Pflegewissenschaften ca. 4.000 Euro, ein angehender Mediziner 47.000 Euro für sein Studium. „Der bisher geringe Anteil von Studenten an der Gesamtfinanzierung der Universität wird drastisch steigen. Wir müssen von Gebührenerhöhungen bis zu 50 Prozent ausgehen“, sagt Frye.

Dabei könnte es allerdings zum Aufstand der Studierenden kommen: „Die Gebühren müssen angemessen sein, es kann nicht sein, dass die Studenten die Sponsoren ersetzen“, sagte Caspar-Fridolin Lorenz von der Studierendengesellschaft. Bevor Droege vor einem Jahr auf den Plan trat, waren es ebenfalls die Studenten, die sich gegen den Ausverkauf ihrer Uni durch den privaten Klinikbetreiber Stiftung Rehabilitation Heidelberg (SRH) wehrten und sich auch gegen eine Erhöhung der Studiengebühren aussprachen.

Das Land Nordrhein-Westfalen will die Uni weiterhin mit 4,5 Millionen Euro jährlich unterstützen – aber ebenfalls nur, wenn ein ausgeglichener Finanzplan vorgelegt wird. Der Sprecher von Nordrhein-Westfalens Innovationsminister Andreas Pinkwart (FDP) sagte der taz: „Bisher haben wir noch keine detaillierte Auflistung bekommen, wie die Uni sich zukünftig finanzieren will. Wenn die Hochschule ihre Hausaufgaben macht, werden wir sie weiterhin unterstützen“. ELISE LANDSCHEK