Perfide Falle im öffentlichen Park

Eigentlich sollten offizielle Protestzonen in Peking für Meinungsfreiheit sorgen. Eigentlich. Von TENG BIAO

Die Protestaktionen von Ausländern in Peking sind hilfreich für die Menschenrechte und ihre Verteidiger

Die Pekinger Behörden haben vor Beginn der Olympischen Spiele drei öffentliche Parks in großer Entfernung vom Olympiagelände als offizielle Zonen für politische Proteste ausgewiesen. Bis heute fanden dort aber überhaupt keine Protestkundgebungen statt. Dabei gab es nach Regierungsangaben bisher 77 Anträge für Proteste. Davon seien drei abgelehnt und 74 von den Antragstellern wieder zurückgezogen worden.

Die Anträge seien zurückgezogen worden, weil die lokalen Behörden sich der jeweils den Unmut auslösenden Fälle angenommen und diese gelöst hätten, behaupten Regierungsvertreter. Nach meinen Informationen ist das eine glatte Lüge. Denn zum einen berichten einige derjenigen, die eine Protestkundgebung anmelden wollten, dass sie ihre Anträge gar nicht zurückgezogen hätten. Und andererseits seien die verantwortlichen Lokalbehörden, anders als dargestellt, untätig geblieben, was eine Beseitigung der jeweiligen Gründe für den Protest angeht.

Vielmehr ging es der Regierung darum, ihre Kritiker zu identifizieren und zu wissen, wer es überhaupt wagt, gegen sie demonstrieren zu wollen. Einige Antragsteller sind sogar festgenommen worden – wie zwei über siebzigjährige Rentnerinnnen. Sie wurden zu einem Jahr Umerziehungslager verurteilt. Die Protestparks sind somit eine Falle und kein Zeichen von Demonstrationsfreiheit.

Die internationale Gemeinschaft sollte sich deshalb nicht blenden lassen, sondern endlich verstehen, dass es in China nach wie vor keine Meinungs- und Demonstrationsfreiheit gibt. Regierungskritiker müssen auch weiterhin damit rechnen, für ihre abweichende Meinung bestraft zu werden, wenn sie diese öffentlich zu äußern wagen. Meinungsfreiheit ist meiner Ansicht nach das wichtigste politische Grundrecht. Denn in einem Land mit Meinungsfreiheit lassen sich alle anderen Probleme, wie zum Beispiel Korruption, leichter lösen.

Es hat während der Spiele auch einige Protestaktionen von Ausländern in Peking gegeben. Ich finde solche Aktionen hilfreich für die Menschenrechte, weil sie die Aufmerksamkeit auf Probleme wie Tibet lenken oder etwa auch auf die Verfolgung von Menschenrechtsverteidigern. Ich hoffe, dass immer mehr Menschen sich der Rechtsverletzungen in China bewusst werden und uns bei der Beseitigung dieser Missstände helfen. Wenn es uns Chinesen gelingt, die Meinungsfreiheit durchzusetzen, werden wir unser Land Stück für Stück zum Besseren verändern können.

Enttäuscht bin ich vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC). Es hat sich nur wenig für Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte in China interessiert und der Regierung so gut wie alles durchgehen lassen. Und wenn das IOC sich mal kritisch gegenüber Peking geäußert hat, dann nur wegen des großen internationalen Drucks. Mehr Kritik vonseiten des IOC wäre hilfreich gewesen, auch wenn ich fürchte, dass die Regierung diese Kritik meist ignoriert hätte.

Nach diesen Spielen wird die Regierung in einer machtvolleren Position sein als zuvor. Die große Nutznießerin der Spiele ist die Regierung und nicht die Bevölkerung. Zwar hat Peking jetzt neue Nahverkehrsbahnen und viele neue Gebäude bekommen, doch dafür sind Menschen aus ihren Häusern vertrieben worden. Selbst die Rechte der Autofahrer sind eingeschränkt worden. Denen wurde die Nutzung ihrer Fahrzeuge einfach per Anordnung an jedem zweiten Tag verboten, ohne dass sie ein Wort mitzureden hatten. Mit einem Rechtsstaat hat das nichts zu tun. Und es wurde sehr viel Geld für die Spiele ausgegeben, das anders sicher besser hätte verwendet werden können.

Klare Worte des IOC kämen heute zu spät, um doch noch etwas zu verändern. Dennoch:

Besser jetzt als nie.

Teng Biao, 34, ist Menschenrechtsanwalt und Juradozent in Peking. Ende Mai wurde seine Anwaltslizenz nicht verlängert