„Immer mehr Pianisten schauen da hinein“

Der Pianist Gerrit Zitterbart unterrichtet beim diesjährigen Musikfest Goslar mit dem Hammerklavier ein Instrument, das vor allem Kammermusikern und Sängern gefällt. Es klingt wesentlich transparenter und feiner als moderne Instrumente

GERRIT ZITTERBART, 56, Konzertpianist, lehrt seit 1981 Klavier an der Hannoverschen Hochschule für Musik und Theater.

taz: Herr Zitterbart, beim Goslarer Musikfest geben Sie Kurse speziell für Hammerklavier. Liegt das Instrument neuerdings im Trend?

Gerrit Zitterbart: Der Trend ist nicht neu, denn die Wiederbelebung historischer Instrumente hat ja schon vor Jahrzehnten begonnen. Der Hammerflügel war allerdings – nach Flöten und Streichinstrumenten – das letzte der wiederentdeckten Instrumente. Und in der Tat bieten in letzter Zeit deutlich mehr Hochschulen Unterricht auf Hammerflügeln an. Auch die Hannoversche Hochschule für Musik und Theater hat bereits eine Sammlung historischer Instrumente, die kontinuierlich erweitert wird.

Steigt die studentische Nachfrage nach Hammerklavier-Unterricht?

Es sind wenige, die sich ernsthaft und ausschließlich dafür interessieren, aber es gibt immer mehr Pianisten, die da hineinschauen. Am größten ist das Interesse allerdings in der Kammermusik und beim Lied. Da merken die Instrumentalisten und Sänger plötzlich, das sich viele Dinge mit einem Hammerflügel spannender aufführen lassen als mit einem modernen Klavier. Bei Schubert- und Mozartliedern etwa entsteht eine ganz andere Balance für den Sänger, wenn er merkt, dass er auch mal leise singen darf.

Was ist der wichtigste Unterschied zwischen einem Hammerklavier und einem modernen Instrument?

Heute klingt jeder Flügel mehr oder weniger gleich. Damals dagegen bestand eine große Vielfalt von Klangmöglichkeiten nebeneinander. Zwischen 1770 und 1870 wurde alle fünf Jahre eine neue Generation von Klavieren entwickelt. Man nahm dabei sehr konkret Bezug auf das gerade gespielte Repertoire. Bei Mozarts Klavierwerken zum Beispiel nimmt im Lauf der Jahre der Tastenumfang kontinuierlich zu, so dass man bestimmte Werke nur mit den jeweils neueren Instrumenten spielen konnte. Ein wichtiger Unterschied besteht auch darin, dass die Hammerköpfe mit Leder bezogen waren statt mit Filz. Lederhämmer klingen perkussiver als Filz, der den Klang eher eingedunkelt hat.

Perkussiv bedeutet hier: rhythmischer?

Nein, durchlässiger. Beim Hammerklavier wird die Struktur des Stücks klarer. Da steht der Klang nicht – wie bei einem modernen Klavier – wuchtig wie eine Wand da.

Warum setzte sich Ende des 19. Jahrhunderts der Filzhammer gegenüber dem Leder durch?

Einerseits, weil Filz den Klang homogener macht. Das lag durchaus im Trend der Zeit, denn die romantischen Komponisten wollten weichere Klänge. Abgesehen davon ist Filz haltbarer als Leder: beim Klavierspiel zerreißt Leder schnell an der Oberfläche. Und dann kann man es nicht reparieren oder weiterverwerten, indem man es aufrauht. Bei Filz funktioniert das aber.

Ziehen Sie persönlich den Klang des Hammerklaviers dem moderner Instrumente vor?

Für manche Werke durchaus. Ich spiele aber auch auf modernen Instrumenten. Und welche Komponisten er auf welchem Klavier spielt, muss jeder selbst entscheiden. Ich persönlich würde Bach-Werke aber nicht auf einem modernen Flügel spielen, sondern auf einem Cembalo. Das finde ich angemessener. INTERVIEW: PETRA SCHELLEN

Das Internationale Musikfest Goslar läuft noch bis 31. 8. 2008.