Hockeytorhüterin Yvonne Frank wartet und wartet
: Die Halb-und-halb-Spielerin

Vor dem Hotel Petroleum in Peking sagt ein Hinweisschild den Gästen mit penetranter Genauigkeit, dass sie eben doch keine richtigen Olympioniken sind. Unterkunft „für die zusätzlichen Akkreditierten“, steht auf dem Wegweiser. Erstmals bei den Olympischen Spielen durfte in Ballsportarten wie Hockey oder Handball jede Mannschaft zwei zusätzliche Athleten mitbringen, die nur nachrücken, falls ein Spieler ihres Teams das Turnier verletzt abbricht. In der Lobby des Petroleums sitzt Yvonne Frank, eine der fünf besten Torhüterinnen der Hockey-Welt.

„Mischgefühle“ habe sie, sagt die 28-Jährige: „Mal wirst du von Glückshormonen überschüttet, weil du Olympia erlebst, mal fühlst du dich wie im Urlaub. Und immer wieder kommt der Moment, wo es dich runterzieht.“ Sie ist dabei, ohne richtig dabei zu sein.

Niemand von ihnen hat es härter getroffen als Yvonne Frank, 28, Polizeikommissarin aus Köln. Im Mai war sie bereits für die Olympischen Spiele nominiert. Erst weil im Juni diese Nachrücker-Reglung geschaffen wurden, fiel sie aus strategischen Gründen aus der Mannschaft: Die meisten Hockeytrainer nahmen nun nur noch einen Torwart mit, um so einen Reservefeldspieler mehr im Aufgebot zu haben; bei der Hitze in Peking eine große Erleichterung. Für den Fall, dass sich der Torwart verletzte, ließ sich der Ersatzkeeper ja nun aus dem Hotel Petroleum holen. „Grundsätzlich ist das für die Mannschaft eine Superreglung“, sagt Frank. „Nur auf mich ist das Los gefallen: dumm gelaufen.“

Sie war ja nicht einmal eine klassische Ersatztorhüterin, sie und Kristina Reynolds, die jetzige alleinige Torfrau, waren Deutschlands doppelte Weltklasse. Sie wechselten sich im Tor ab, bei der Europameisterschaft 2007 hielt im Halbfinale Reynolds glänzend und beim Finalsieg Frank; bei Olympia wäre das Wechselspiel genauso gelaufen, wäre nicht die Zusatzakkreditierung erfunden worden.

Als sie in Peking ankam, dachte Yvonne Frank, „das packe ich nicht“. Zwölf Tage später „ist es wesentlich angenehmer als gedacht“. Und ihre Stimme beweist, dass sie die Wahrheit sagt: Die Stimme ist fast weg. So begeistert hat sie am Vorabend der Mannschaft angefeuert, zu der sie gerade nicht richtig gehören darf.

Nach Anfangsproblemen dürfen die Zusätzlichen nun wenigstens bis 21 Uhr ins olympische Dorf, nur an Spieltagen hat sie sich „einen Kodex auferlegt“, so wenig Zeit wie möglich mit der Mannschaft zu verbringen, damit es nicht so wehtut. „Ich hasse die Tribüne“, sagt sie, „du fühlst dich dort so hilflos.“

Gerade hat sich Sven-Sören Christophersen von ihr verabschiedet. Der deutsche Handball-Zusätzliche durfte tatsächlich ins Team einrücken, weil sich Pascal Hens verletzte. Yvonne Frank sagt, sie hätten Christophersen zum Abschied laut gefeiert im Petroleum, dem Hotel der halb erfüllten Träume. RONALD RENG