Glauben heißt sich selbst aufgeben

Die ganze Spannung zwischen Brutalität und Liebe: Niccolò Ammanitis so gar nicht gottgefälliger Roman „Wie es Gott gefällt“

Der Vater ist ein Neonazi, der Sohn auf dem besten Weg, einer zu werden. Die beiden wohnen in einem versifften Loch auf einem einsamen Fabrikgelände. Der eine ist ständig voll, der andere dauergenervt. Es wird gekotzt, geschwitzt und geschrien. Eine schöne Geschichte ist das nicht.

In „Wie es Gott gefällt“ schmiert Niccolò Ammaniti mit groben Zügen eine groteske Welt aufs Papier. Die männlichen Protagonisten des Kleinstadtkosmos sind jeder auf seine Weise gestrandet und krallen sich jetzt an Alkohol und Frauen, um nicht wieder ins offene Meer getrieben zu werden. Die Frauen wiederum treten in den bekannten Varianten Geschlechtsorgan oder Anbetungsobjekt auf. Trotz dieser Einfalt sind sie die einzige Begierde der Männer.

Doch zwischen den Geschlechtern türmt sich der Müll vergangener Jahre: gescheiterte Träume, erkaltete Liebe und verschüttetes Leben. Er verhindert, dass man zu mehr als einem Fick zueinanderfindet.

Ebenso brutal und unvermittelt wie seine Figuren ist die Sprache von Niccolò Ammanitis neuem Roman. Es wimmelt von Schwänzen und Nutten, von Quasipennern und Überresten von allem Möglichen. Es wird geprügelt, vergewaltigt, gestorben und gemordet, und alles so mehr oder weniger aus Zufall, aus einer Verkettung schiefgelaufener Momente, die die Täter nie so recht voraussehen konnten.

„Wie es Gott gefällt“ ist nicht geschrieben worden, um dem Bildungsbürger zu gefallen. Die Handlung beginnt unvermittelt mit einem Prolog in einer arschkalten Nacht, in der der Vater den Sohn zwingt, einen Hund zu erschießen. „Ein verdammter Köter weniger auf der Welt“, kommentiert der, als er das Tier abgeknallt hat. Und einen Leser weniger, denkt man zunächst und schmeißt das Buch an die Wand.

Eigentlich ist Niccolò Ammaniti ein großartiger Erzähler. Sein atemloser Roman „Ich habe keine Angst“ (2003 auf Deutsch erschienen) ist toll. Eine Geschichte aus Italiens verlorenem Süden, in der ein Sohn entdecken muss, dass sein Vater ein Kind reicher Eltern entführt hat und es unter erbärmlichen Bedingungen gefangen hält. Das Buch wurde in über dreißig Sprachen übersetzt, verfilmt und machte Ammaniti international bekannt. In Italien traf die brachiale Zartheit seiner Figuren einen besonderen Nerv: Besonders die jüngere Generation verehrt ihn glühend und feiert jedes seiner neuen Bücher frenetisch in Blogs und Internetforen.

In „Wie es Gott gefällt“ versucht Ammaniti erneut, die Spannung zwischen Brutalität und Liebe, zwischen Elend und Hoffnung zu ermessen. Wieder wird ein Sohn mit den Abgründen der Welt der Erwachsenen konfrontiert. Doch diesmal misslingt Ammaniti das geheimnisvolle Grauen, das „Ich habe keine Angst“ durchdringt. Die Handlung zerbricht an dem Versuch, Krimi, Farce und Milieustudie gleichzeitig zu sein.

Und doch ist „Wie es Gott gefällt“ ein faszinierendes Buch. Durch das Scheitern der Erzählung verrät der Roman mehr über das Elend, das er nicht darzustellen vermag, als manche geglückte Geschichte. Wer das Buch tatsächlich gegen die Wand gedonnert hat, sollte es wieder aufheben und weiterlesen. Je tiefer sich die gescheiterten Gestalten in ihre Schicksale verstricken, desto interessanter werden die Momentaufnahmen, in denen der Leser sie beobachtet, und desto näher kommt Ammaniti seinem eigentlichen Thema: Gott.

Der Originaltitel „Come Dio commanda“ – „Wie Gott befiehlt“ – zeigt das deutlicher als seine weichere deutsche Übersetzung „Wie es Gott gefällt“. Auch wenn er abwesend bleibt von diesem Flecken Italiens, retten sich Ammanitis Figuren doch zunehmend in die Vorstellung, ein alles beherrschender Gott überblicke ihre Schicksale. Je absurder und abgründiger die Geschichte wird, desto dominanter wird diese alttestamentarische Gottesvorstellung. Doch Glauben hat hier nichts Hoffnungsvolles mehr, er ist vielmehr Teil der generellen Tendenz, sich und alles um einen herum aufzugeben. Ein schönes Buch hat Niccolò Ammaniti nicht geschrieben. Aber ein mutiges. JUDITH LUIG

Niccolò Ammaniti: „Wie es Gott gefällt“. Aus dem Italienischen von Katharina Schmidt. Fischer Verlag, Frankfurt a. M. 2008, 485 Seiten, 21,90 Euro