Prügeln ganz ohne Schmerz

Tilidin gilt als Trenddroge. Das Schmerzmittel macht euphorisch, aber auch rasch abhängig. Über seinen Missbrauch gibt es kaum Erkenntnisse. Ein runder Tisch von Polizei und mehreren Senatsverwaltungen soll das jetzt ändern

Prügel-, Amok- und Berserker-Droge – so wird die neueste Modedroge Tilidin gern bezeichnet. Das Schmerzmittel wirkt euphorisierend und angstlösend, macht aber gleichzeitig schnell abhängig. Polizei und Senat bezeichnen den Missbrauch von Tilidin als großes Problem. Gleichzeitig herrscht aber Unklarheit über die Verbreitung der Droge. Jetzt will Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD) Licht ins Dunkel bringen und Vertreter von Polizei, Innen- und Gesundheitsverwaltung an einen Tisch bitten.

Die Zahlen wirken alarmierend: Von 2.480 Rezeptfälschungen im vergangenen Jahr gingen laut der Justizverwaltung 95 Prozent auf das Konto von tilidinhaltigen Medikamenten. In der Jugendstrafanstalt Plötzensee schaffte es Tilidin sogar auf Platz zwei der konsumierten Drogen. Dennoch haben die Behörden noch kein klares Bild vom Missbrauch mit Tilidin, das, versetzt mit dem Zusatz Naxolon, als Schmerzmittel zu den Opioiden zählt und nicht als Heroinersatz konsumiert werden kann.

Polizeisprecher Frank Millert spricht von einem großen Dunkelfeld, was die Modedroge betrifft. Einzige Erkenntnis bisher: Für Festnahmen von tilidinkonsumierenden und gewalttätigen Jugendlichen seien meist mehrere Beamte notwendig. So aggressiv und renitent wären die unter Tilidin-Konsum stehenden jungen Leute zumeist.

Auch in der Justizverwaltung hat man noch kein klares Bild vom Ausmaß des Problems. „Wir wissen nicht, wie groß der Missbrauch wirklich ist“, berichtet Sprecher Daniel Abbou. Was die Rezeptfälschungen für tilidinhaltige Medikamente betrifft, geht die Justizverwaltung jedoch von einer weit höheren Zahl als bisher bekannt aus. Viele Apotheker, sagt Abbou, bringen Rezeptfälschungen gar nicht mehr zur Anzeige, so groß sei mittlerweile der Missbrauch.

Um Klarheit zu schaffen, will sich die Justizsenatorin deshalb für mehr Tilidintests bei Festnahmen einsetzen. Sollte dabei ein steigender Tilidinmissbrauch nachgewiesen werden, würde sich die Senatorin dafür einsetzen, auch tilidinhaltige Medikamente dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG) zu unterwerfen und so die Rezeptfälschung für Tilidin zu erschweren. So soll die Verbreitung eingeschränkt werden.

Repression hält Jürgen Schaffranek vom Streetworkerverein „Gangway“ indes für den falschen Weg. Das Geld hierfür sollte besser in die Vorbeugung fließen. Tilidin dem BtMG zu unterstellen, würde das Problem nicht lösen. HANNES VOLLMUTH