Absolventen wollen gerechte Noten

Absolventen von Berufsober- und Fachoberschulen fühlen sich bei den Abschlussnoten benachteiligt. Jetzt hat einer von ihnen das Land Berlin verklagt – mit Hilfe der Gewerkschaft. Die Verwaltung sieht hingegen keinen Grund, die Regelungen zu ändern

VON JENNIFER LEPIES

Dass Schüler über Noten klagen, ist nicht neu. Doch dass sie die Senatsverwaltung für Bildung sogar deswegen verklagen, kommt selten vor. Die Berufsoberschüler fühlen sich gegenüber Gymnasiasten benachteiligt, weil sie meinen, dass ihre Abschlussnoten anders berechnet werden. „Hier liegt eine deutliche Ungleichbehandlung vor“, beschwert sich der Berufsoberschulabsolvent Nikolas Kappe. Er zieht jetzt stellvertretend für alle Berufsober- und Fachoberschüler vor das Verwaltungsgericht.

Das Problem ist folgendes: An allen Berliner Berufsober- und Fachoberschulen wird die Nachkommastelle bei Endnoten der einzelnen Fächer nicht berücksichtigt. Auswirkungen hat das laut Kappe besonders, weil daraus die Abschlussnote errechnet werde. „Ergibt sich beispielsweise in einem Fach eine Endpunktzahl von 10,7, stehen im Zeugnis nur 10 Punkte. Daraus wird dann auch die Abschlussnote berechnet.“ An regulären Gymnasien hingegen werde in einem solchen Fall auf 11 Punkte aufgerundet. Entsprechend besser falle dann auch der Abiturdurchschnitt aus, klagt Kappe.

Unterstützung erhalten Kläger Kappe und die anderen Absolventen von der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW). „Es ist eine ganz klare Ungerechtigkeit“, sagt Peter Sinram, Sprecher der GEW, „wenn in einem Bildungsgang ordnungsgemäß auf- und abgerundet und in einem anderen ausschließlich abgerundet wird.“ Vom Senat habe ihnen dieser Unterschied noch nicht hinreichend begründet werden können.

„Das Rechenverfahren, wie es in der Prüfungsverordnung für unsere Schulart vorgeschrieben ist, kann sich zu einer Leistungsminderung der Abiturnote von bis zu 6 Prozent auswirken“, sagt der Absolvent der Anna-Freud-Oberschule. Kappe hat bereits eine Ausbildung als Erzieher gemacht und hat nun an der Berufsoberschule die allgemeine Hochschulreife erlangt. Nachteile bringe das Rechenverfahren spätestens, wenn sich Absolventen wie er an Universitäten oder Fachhochschulen für Fächer mit einer Zulassungsbeschränkung bewerben, sagt Kappe: „Etliche Wartesemester können wegen des schlechteren Durchschnitts die Folge sein. Es kann auch sein, dass manche Studiengänge überhaupt nicht mehr in Frage kommen.“

Bernhard Kempf, Sprecher des Bildungssenats, sieht hingegen keine Ungerechtigkeiten. „Es wäre mir neu, dass in der gymnasialen Oberstufe zur Endnotenbildung auf- oder abgerundet wird.“ Dann aber holt er weit aus, um die Unterschiede zwischen Gymnasien und anderen Schulformen, bei denen man eine Hochschulreife erwerben kann, zu erklären. „Man muss beachten, dass es sich bei den Fachober- und Berufsoberschulen und der gymnasialen Oberstufe um zwei unterschiedliche Bildungsgänge handelt“, sagt er. „Im Sinne einer Harmonisierung der Schularten braucht man identische Notenschlüssel. Sowohl auf der gymnasialen Oberstufe als auch auf der Berufsober- und Fachoberschule müssen 15 Punkte für eine 1+ erreicht werden.“

Die GEW jedoch scheint überzeugt, dass die Klage von Absolvent Kappe Erfolg haben wird. Die Gewerkschaft ist nicht nur sein moralischer Fürsprecher, sie macht für die Klage auch Geldmittel locker. „Die Finanzierung ist durch die Unterstützung der GEW bis in alle Instanzen gesichert“, gibt sich Kappe kampfbereit. Seine Forderung ist klar: „Die Noten sollen so schnell wie möglich geändert werden, so dass man sich wenigstens zum kommenden Sommersemester mit der richtigen Endnote bewerben kann.“ Sein Abiturzeugnis habe man sein Leben lang, da sollten dann auch die echten Noten draufstehen.