Klappe auf, Kieferbruch

Quitt mit Mama

In meinem Mund fehlt die 45. Das ist einer der Backenzähne unten rechts, die ganz praktisch sind zum Mahlen von Körnerbrötchen. Die 45 (sprich: vier-fünf) fehlt mir schon immer, unter dem Milchzahn war kein Zahn angelegt. Meine Mutter hat sich wohl während der entscheidenden neun Monate nicht immer ganz vorbildlich ernährt. Aber da ich mich im Alter von 14 bis 16 ihr gegenüber auch nicht immer ganz vorbildlich verhalten habe, empfinde ich uns als quitt.

Mein Hausundhofzahnarzt im heimatlichen Hessen kennt meine Lücke und findet sie zumindest unbedenklich. Anders die Berliner Dentalartisten. Wohin ich auch gehe, ertönt ein Aufschrei in der Praxis. Die Lücke müsse unbedingt (sprich: un-be-dingt) geschlossen werden: „Die Zähne kippen sonst um wie beim Domino Day.“ Da ich als überzeugte Hypochonderin eine Abneigung gegen die Vorstellung habe, mir ein Implantat einsetzen zu lassen, bin ich zum Kieferorthopäden. Der würde das sicher mit einer Spange hinbiegen können.

Im Wartezimmer saßen kleine Menschen mit schwer bewaffneten Mündern. Im Behandlungsraum saß der Arzt vor einer Tasse Tee. Nachdem wir ein Weilchen angeregt über die Lage in meiner Mundhöhle geplaudert hatten, warf er einen Blick hinein. Dann verkündete er, dass mein Kiefer leider so schief stehe, dass er mir eine Operation ans Herz lege. Man würde meinen Unterkiefer in der Mitte teilen und wieder neu zusammensetzen. „So, dass Sie richtig zubeißen können.“ Die fehlende Nummer 45 sei im Übrigen unbedenklich. Ich habe süß gelächelt und mich an der Sprechstundenhilfe vorbei aus der Praxis gestohlen. Mein nächster Termin beim Zahnarzt steht schon: 15. 12. 2008 im hessischen Groß-Bumpen. LENA HACH