Gedopt mit Puderzucker

Eine Schauspielerin würfelt um ihren Bühnenauftritt: In „Playtime“, einer Soloperformance in der Villa Elisabeth, führt das Glück im Spiel die Regie. Und das macht manchmal doch erstaunlich kurzen Prozess

In dem Theaterprojekt „Playtime“ spielen ein Zuschauer und eine Schauspielerin hinter der Bühne Mensch-ärgere-dich-nicht. Jedes Mal, wenn die Schauspielerin eine Sechs würfelt, kommt sie auf die Bühne und trägt etwas vor. Welche der beiden Ebenen für mehr Spannung sorgt, war bei der neuen Produktion des „EX!T Ausgangspunkt Theaters“ aus Mannheim, die in der Villa Elisabeth in Berlin-Mitte ihre Premiere zeigten, eindeutig. Bei dem Brettspiel, das ähnlich einer Poker-Übertragung im Fernsehen auf eine Leinwand projiziert wurde, ging das Publikum erstaunlich emotional mit. Die Bühnenauftritte hingegen litten an der Banalität der Texte, die sich auf unterschiedliche Weise mit dem Glück befassten.

Mal bedachte die sympathische junge Schauspielerin Steffi Plattner das Publikum mit einer langen Liste von guten Wünschen für kühle Sommernächte, eisfreie Winter und dergleichen, mal fragte sie singend, warum wir denn so bodenständig seien, statt einfach loszufliegen („Were we born to live / Were we born to die? / Why do we ground ourselves / When we know that we can fly, fly, fly, fly?“). Weitere Charaktere waren eine Wissenschaftlerin, die über Glückshormone doziert und sich dabei, wohl um die Produktion ebenjener anzuregen, schmatzend Puderzucker von den Fingern leckt, sowie eine naive Schlagersängerin („Ein kleines Glück wird einmal groß“).

Jeder Auftritt wurde eingeleitet von einem ausgedehnten Ritual des Auswählens und Anziehens eines neuen Outfits – die Garderobe hatte unter anderem ein goldenes Höschen, rote Gummistiefel und ein Gebiss mit hervorstehenden Vorderzähnen zu bieten – und beendet von einem Moment des Posierens im Scheinwerferlicht. Die Reihenfolge der Szenen hing offenbar vom Zufall ab, jedenfalls rollte Plattner vor jedem Auftritt einen großen Würfel über die Bühne. Die Augenzahl bestimmte, welche Szene folgen würde.

Stillstand dominierte

Dieser dramatische Einfall (Regie: Elke Schmid) erwies sich als wenig wirkungsvoll, denn das Publikum erfuhr vorher nicht, was sich hinter den Zahlen verbirgt, und verfolgte das Würfeln daher gleichgültig. Trotz des Glücksthemas dominierte auf der Bühne der Stillstand, nicht das Streben. Eine Handlung oder wenigstens eine Art Vorwärtsbewegung war nicht erkennbar. Da war es wirklich ein Glück, dass es wenigstens beim Mensch-ärgere-dich-nicht ein klares Ziel gab. Die Oberhand hatte hier von Anfang an eine Zuschauerin namens Tina, die Steffi Plattners Spielfiguren immer wieder zurück an den Start schickte. Der Kamerablick von oben auf das Spielbrett, das wie in einem Casino auf einem Tisch mit grüner Filzbespannung lag, war einer der originellsten Aspekte der Inszenierung. Leider verlief das Spiel weitgehend schweigend und die Mimik der beiden Spielerinnen wurde nicht eingefangen. Plattners seltene Kommentare und ihre gelegentlichen Grimassen in Richtung Kamera, wenn wieder mal eine ihrer Spielfiguren am Start landete, waren amüsant und wären sicher ausbaufähig.

Überhaupt zeigte sich in den besseren Momenten der Produktion, dass die Schauspielerin durchaus fähig gewesen wäre, eine Beziehung zu ihrem Publikum herzustellen – wenn das Konzept denn mehr Gelegenheit zur Interaktion vorgesehen hätte.

Die Länge der Aufführung hing von der Brettspiel-Partie ab. Am Premierenabend setzte Zuschauerin Tina nach einer Stunde ihre letzte Spielfigur ins Ziel. Steffi Plattner ließ daraufhin Federn: Sie legte ihren Engelsflügel ab, den sie den ganzen Abend über die linke Schulter geschnallt trug. Auf der Leinwand hinter ihr schwebten Federn durch die Luft. Die Zuschauerin Tina hingegen ging mit einem schicken Exemplar des Brettspiel-Klassikers nach Hause und bekam zudem den Eintrittspreis erstattet. Für das restliche Publikum war der Abend leider weniger gewinnbringend.

BIANCA SCHRÖDER

Wieder vom 14. bis 17. August, 20 Uhr, Villa Elisabeth, Invalidenstraße 3