Einer aus dem Pott als oberster Fischkopp

Erwin Sellering wird beweisen müssen, dass auch ein Westler Mecklenburg-Vorpommern regieren kann. Nach Harald Ringstorffs Rücktritt setzt die SPD auf den 58-Jährigen FOTO: WOLF P. PRANGE/IMAGO

Es ist schon etwas Besonderes, aus Sprockhövel zu stammen. Die Kleinstadt zwischen Bochum und Wuppertal hat nicht viele Söhne, die es draußen in der Welt zu etwas gebracht haben. Stolz ist man beispielsweise auf den Arzt und Buchautor Dieter Grönemeyer, dabei wohnt der nur hier und wäre nie so bekannt geworden ohne seinen singenden Bruder Herbert. Den Namen eines anderen Mannes, der vor 58 Jahren sogar hier geboren wurde, wird man sich hingegen erst noch merken müssen: Erwin Sellering. Auch er hat in seiner Karriere auf die Unterstützung eines Größeren bauen können.

Aller Voraussicht nach wird Sellering, gelernter Jurist mit unverwüstlichem Ruhrpottakzent, Anfang Oktober zum Ministerpräsidenten von Mecklenburg-Vorpommern gewählt werden. Das wäre die Krönung einer rasanten politischen Karriere, die lange im Schatten seines politischen Gönners Harald Ringstorff stand. Der scheidende Regierungschef holte den Vizepräsidenten des Verwaltungsgerichts Greifswald kurz nach Amtsantritt 1998 als Referatsleiter in die Schweriner Staatskanzlei.

Seither hat Sellering viele Posten innegehabt: Als Justizminister von 2000 bis 2006 sorgte er bundesweit mit der Forderung für Aufsehen, die genetischen Fingerabdrücke aller Bundesbürger zu erfassen. Selbst die DNA-Merkmale von Neugeborenen, verlangte der mit der einer Kunsthistorikerin verheiratete Vater zweier erwachsener Töchter, sollten zentral erfasst werden. Seit Ende 2007 ist Sellering, dem selbst Kritiker Kompromissfähigkeit attestieren, Sozial- und Gesundheitsminister. Der letzte Schritt zur Nachfolge seines Mentors folgte im April, als der Westimport zum SPD-Landesvorsitzenden gewählt wurde.

Nun muss der begeisterte Schachspieler beweisen, dass er Macht nicht nur ausüben, sondern auch in Wahlen erkämpfen kann. Nach seiner absehbaren Wahl zum Nachfolger Ringstorffs im Landtag am 6. Oktober wird sich Sellering daranmachen müssen, die Kommunalwahlen in knapp einem Jahr zu bestehen. Der nur 2.800 Mitglieder schwache Landesverband muss den Abwärtstrend der Bundespartei ebenso bekämpfen wie Proteste wegen des Baus eines Steinkohlekraftwerks in Lubmin. Das Städtchen liegt ganz in der Nähe von Greifswald, Sellerings Wohnort seit 14 Jahren.

Bis zur Landtagswahl im Jahr 2011 hat Sellering nun Zeit, sich als Ministerpräsident einen Namen zu machen. Auch danach will er bleiben. Mit seiner Frau habe er sich einst darauf geeinigt, seine zweite Lebenshälfte im Nordosten zu verbringen, erzählt er. Seinem Ansehen in Sprockhövel wird das nicht gerade dienen.

MATTHIAS LOHRE