Totalverweigerer frei

Überraschend wird der einzige aktive Totalverweigerer Silvio Walther aus Bundeswehrhaft entlassen. Jetzt sucht er einen Arbeitsplatz

Jetzt kommt ein zivil-rechtliches Verfahren wegen Gehorsams-verweigerung

VON MARTIN KAUL

Der Totalverweigerer Silvio Walther ist wieder frei. Am Donnerstagabend wurde der 21-Jährige, der wiederholt in Bad Reichenhall in Bundeswehrhaft saß, überraschend und frühzeitig aus dem Disziplinararrest entlassen. Walther war zuletzt der einzige bekannte aktive Totalverweigerer in der Bundeswehr. Er saß seit vergangenen Freitag im 5. Gebirgsfernmeldebataillon 210 seine vierte Disziplinarstrafe wegen wiederholter Gehorsamsverweigerung ab. Zuvor hatte Walther drei Disziplinararreste von insgesamt 31 Tagen in Einzelhaft der Bundeswehr verbracht.

Entgegen seiner vorherigen Entscheidung, Walther für weitere 21 Tage in Einzelarrest zu halten, ordnete das zuständige Truppendienstgericht Süd am Donnerstag die sofortige Aufhebung des Disziplinararrests an – und entließ ihn damit bereits am sechsten Tag der neuerlichen Strafe aus der Zelle. Außerdem verfügte es, dass kein weiterer Arrest gegen Walther verhängt werden dürfe. Insgesamt hat Walther damit 37 Tage im Bundeswehrarrest verbracht.

Am Freitag um 11.30 Uhr wurde das Entlassungsverfahren aus der Bundeswehr eingeleitet. Bis zu Walthers formaler Entlassung wurde ein „unbefristetes Dienstverbot“ verhängt. Faktisch aber ist Silvio Walther damit vorerst frei: Er konnte am Freitag die Kaserne verlassen und in seinen hessischen Heimatort zurückkehren. Dort sucht er jetzt einen Arbeitsplatz. Auf ihn wartet nun ein zivilrechtliches Verfahren wegen Gehorsamsverweigerung und eigenmächtiger Abwesenheit von der Truppe.

Die taz hatte am 19. Juli über den Totalverweigerer berichtet. Silvio Walther war während seiner Zeit in Bundeswehrarrest nach eigener Aussage unter Androhung von Schusswaffengewalt zum Säubern eines Parkplatzes gezwungen worden und infolgedessen vier Wochen lang auf der Flucht vor den Feldjägern gewesen. Unter Begleitung der taz hatte er sich am 17. Juli der Bundeswehr gestellt und war daraufhin sofort erneut arrestiert worden. taz-Leserinnen und -Leser hatten ihm in der letzten Woche zahlreiche Unterstützungsbriefe in den Arrest gesandt.

Mit der Entlassung Walthers ist der „Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär“, die die Totalverweigerer in Deutschland betreut, derzeit kein weiterer aktiver Totalverweigerer innerhalb der Bundeswehr bekannt. Die Bundeswehr macht hierzu keine eigenen Angaben.

In diesem Jahr haben neben Silvio Walther auch Matthias Schirmer und Tobias Przybilla jeglichen Gehorsam innerhalb und außerhalb der Bundeswehr verweigert. Matthias Schirmer wurde nach insgesamt 34 Arresttagen nach Hause geschickt. Tobias Przybilla verweigerte ebenfalls die Befehle der Bundeswehr. Aufgrund seines Antrages auf Anerkennung als „normaler“ Kriegsdienstverweigerer verzichtete die Bundeswehr nach sechs Tagen Disziplinararrest auf weitere Maßnahmen und schickte auch Przybilla nach Hause. Auf beide Verweigerer wartet nun ebenfalls ein Strafverfahren wegen Gehorsamsverweigerung. MARTIN KAUL