DAS KARLSRUHER URTEIL VERBESSERT DIE SITUATION VON TRANSSEXUELLEN
: Politisch im Plus

Von Transsexuellen wird in Deutschland gefordert, dass er/sie ein Jahr vor Operation und Hormonbehandlung in den Kleidern des biologischen Zielgeschlechts herumläuft. Diese erzwungene Travestie prägt das nicht selten lächerliche Bild, das die Gesellschaft so häufig von Transsexuellen hat: ein Stoppelbärtiger im geblümten Sommerkleid. Eine Parodie einer Frau und eine Verhöhnung transsexueller Realität.

Das gestern vom Bundesverfassungsgericht gefällte Urteil ist ein Erfolg. Denn es erlaubt Transsexuellen, auch nach einer Geschlechtsangleichung mit ihrem Ehepartner verheiratet zu bleiben. Zudem wird nun die Debatte darüber, wie restriktiv wir hierzulande mit Transsexuellen umgehen, erneut aufgerollt. Und das ist dringend notwendig.

Einen Fall nämlich wie den des jüngst in den USA schwanger gewordenen Mannes, Thomas Beatie, hätten wir in Deutschland gar nicht haben können. Hier gilt: Wer sein gesetzlich eingetragenes Geschlecht ändert, dem wird es verwehrt, Kinder zu bekommen. Das Transsexuellengesetz verlangt nicht nur eine komplette Anpassung der äußeren Geschlechtsmerkmale, sondern zwingt auch zur Sterilisation.

Zwar spricht wenig dafür, dass die jüngste Entscheidung des Verfassungsgerichts auf diese Gesetzeslage Einfluss nehmen wird. Seit das Transsexuellengesetz in Kraft ist, wurden immer wieder einzelne Paragrafen als verfassungswidrig außer Kraft gesetzt. Auch der Rückschluss, dass, wenn der Staat eine bereits bestehende Ehe von zwei Frauen schützt, er in Zukunft auch wohlwollender auf eine entstehende Ehe von Gleichgeschlechtlichen blickt, ist nicht zwingend. Allerdings haben die ersten Aktivistenverbände für gleichgeschlechtliche Liebe bereits erklärt, dass das Urteil zeige, wie lebensfremd die rechtliche Hierarchisierung zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft ist.

Die Chance des Urteils liegt im Politischen. Denn das Urteil stärkt prinzipiell die Bürgerrechte der Transsexuellen. Insofern haben die Aktivistenverbände transsexueller Lebensformen jetzt Gelegenheit, für ihre seit Jahren gestellten Forderungen eine breitere Öffentlichkeit zu gewinnen. Sie werden sie zu nutzen wissen. JUDITH LUIG