Bürger sagen CDU den Wahlkampf an

Ein Bürgerbegehren für mehr Demokratie setzt die Thüringer Regierung unter Druck

BERLIN taz ■ Spannend wird es werden, wenn am heutigen Samstag, Punkt Mitternacht, in Thüringen das Volksbegehren für mehr direkte Demokratie endet. Vordergründig geht es darum, die Hürden für Bürgerbegehren und -entscheide auf kommunaler Ebene deutlich zu senken. Gleichzeitig ist das Thema ein willkommener Anlass für die beiden Spitzenkandidaten der Oppositionsparteien, Christoph Matschie (SPD) und Bodo Ramelow (Die Linke), direkt in den Wahlkampf für die Landtagswahl 2009 einzusteigen.

„Ich sehe das Ganze als Grundmisstrauensantrag gegen die Haltung der Landesregierung. Die CDU wirkt fehlstrukturiert und machtverliebt“, teilt Ramelow aus. „Da hat sich die CDU selbst hineinmanövriert“, frohlockt Matschie. Die beiden Oppositionsparteien, Linkspartei und SPD, sind Teil des Bündnisses „Mehr Demokratie“, das seit dem 20. März Unterschriften sammelt. Am Donnerstag fehlten nur noch 8.000 Unterschriften am notwendigen Quorum. Bei 200.000 Unterschriften ist das Volksbegehren von Erfolg gekrönt, und der Landtag muss sich mit dem Gesetzentwurf befassen.

Die Initiatoren des Volksbegehrens fordern die Hürden für erfolgreiche Bürgerbegehren von derzeit 13 bis 15 Prozent auf 7 Prozent der Stimmberechtigten einer Gemeinde zu senken. Bei Bürgerentscheiden soll das Quorum um 5 bis 10 Prozent runter. Außerdem sollen die Bürger bei deutlich mehr Themen mitentscheiden dürfen.

Bereits seit knapp drei Jahren verhandelt der CDU-dominierte Thüringer Landtag über einen entsprechenden Gesetzentwurf – ohne Ergebnis. Deswegen wurde das Bündnis Mehr Demokratie aktiv. „Wir möchten dafür sorgen, dass die Menschen auch kommunal viel besser mitgestalten können“, erklärt der Sprecher des Bündnisses, Ralf-Uwe Beck.

Das Bündnis hatte bereits im Jahr 2000 erfolgreich ein Volksbegehren in Thüringen gestartet und eine Reform der direkten Demokratie auf Landesebene erwirkte. Thüringen bilde aber bezüglich direkter Demokratie auf kommunaler Ebene das Schlusslicht unter den Bundesländern, kritisiert Beck. Lediglich 69 Bürgerbegehren seien seit 1994 initiiert worden. Vorbild sei hier Bayern, in dem direkte Demokratie auf kommunaler Ebene sehr gut funktioniere. Hier wurden im gleichen Zeitraum 1.750 Bürgerbegehren initiiert.

Auch Matschie und Ramelow betonen unisono, dass ihr Primärziel darin bestehe, für ein anderes Politikverständnis zu kämpfen und dem Bürger mehr Beteiligung einzuräumen. „Für mich ist das die Frage, wie wir mit dem Erbe von 1989 umgehen“, so Matschie.

Ramelow moniert insbesondere, dass die CDU im laufenden Verfahren einen eigenen Gesetzentwurf eingebracht habe. Dieser sieht ebenfalls vor, die Hürden zu senken. Allerdings sollen Unterschriften nicht mehr auf der Straße gesammelt werden. Bürger, die ihre Stimme abgeben wollen, müssen sich dazu auf ein Amt begeben. „Das führt die Leute nur an der Nase rum. Die CDU will sich damit vor dem Volk schützen“, meint Ramelow dazu.

Ministerpräsident Althaus verteidigte gegenüber der taz den Gesetzentwurf: „Die Amtsstubensammlung sichert, dass Bürgerinnen und Bürger gezielt zum jeweiligen Anliegen ihre Unterschrift leisten und diese nicht nebenbei abgeben.“ Zu einem möglichen Erfolg des Volksbegehrens wollte sich Althaus nicht äußern.

Das Bündnis hält es für möglich, dass die CDU im Falle des Erfolgs einlenkt. Denn sollte sie auf ihrer Haltung beharren, könnte der Volksentscheid zeitgleich zu den Landtagswahlen stattfinden, und die allein regierende CDU Stimmen kosten. „Die Stimmung in Thüringen ist gekippt“, so Ramelow siegessicher.

SEBASTIAN KEMNITZER