Nicht aus Nichts geschaffen

betr.: „Lebenslüge der Väter. Tom Segev entzaubert Israels Mythos von den selbstlosen Pionieren und Staatsgründern“, taz.mag vom 5. 7. 08

Der Staat Israel wurde nicht aus dem Nichts geschaffen und der Gründungsmythos wurde später geschrieben, um die Vertreibung der arabischen Bevölkerung Palästinas, die ja bis heute andauert, wenigstens teilweise zu rechtfertigen.

Tom Segev klärte in einem früheren Buch die Rolle der Briten bei der Verwirklichung des zionistischen Projekts während der Mandats- bzw. Kolonialverwaltung in den 20er und 30er Jahren des 20. Jahrhunderts. Auch der „Unabhängigkeitskrieg“ wurde nicht von den arabischen Nachbarstaaten eröffnet, sondern begann schon während der britischen Mandatszeit als Eroberungskrieg der Juden, die zwar den Teilungsbeschluss der UNO begrüßten, jedoch mit der Grenzziehung nicht zufrieden waren und die „ethnische Säuberung“ der von ihnen eroberten Gebiete umsichtig geplant hatten. Misiks Aussage, die „Regierung … zeigte … sich erschüttert von den Gräueltaten“ ist verfälschend und geeignet, falsche Mythen zu retten.

Ilan Pappe hat die Dinge in seinem Buch akribisch recherchiert („Die ethnische Säuberung Palästinas“). Der jüdische Staat sollte nicht mehr als 20 % arabischen Bevölkerungsanteil haben. Im Übrigen gab es bezüglich der Westbank Absprachen mit dem jordanischen König, der über die einzige schlagkräftige Truppe verfügte, so dass eine wirkliche Gefahr für den jungen Staat nicht bestand. Die heutigen Probleme gehen wesentlich auf die nach dem Krieg von 1967 eingeleitete Besiedelung der Westbank (also der letzten 20 % Land, die den Palästinensern geblieben waren) zurück. Inzwischen muss man die Auseinandersetzungen wohl als den ältesten Krieg um Wasser auffassen: Israel bezieht ca. 70 % seines Wassers aus dem besetzten Golan und der Westbank. Der Gazastreifen wurde mit versalzenen, weil von den Siedlern übernutzten Brunnen zurückgegeben. Bei unseren Politikern werden die Lebenslügen, die Gründung Israels betreffend, aber weiter Bestand haben: sie sind wild entschlossen, die Verbrechen der Nazis auf Kosten von Dritten (der Palästinenser) an den Israelis wieder gutzumachen: dazu müssen die Israelis ihren Opferstatus behalten. Wie sagte doch Joschka Fischer: Antizionismus (also Kritik an Israel, P. F.) ist Antisemitismus.

PETER FREUDENTHAL, Hamburg