In spiritueller Vorfreude

Eine Brache unweit des Hauptbahnhofes, Tiger, Kranich, Sonnengruß, Shiva-Dancing und Chakren-Meditation: gemischte Eindrücke vom Yogafestival, das am vergangenen Wochenende stattfand

VON CHRISTIANE RÖSINGER

Wer auf ein Yogafestival geht, der sollte es vorurteilsfrei, in gespannter Erwartung und mit reinem Herzen tun. Er sollte seine latente Esoterikfeindlichkeit ablegen und sich mit unverstelltem Blick und in liebevoller Hingabe auf diesen spirituellen Weg begeben.

Und ist Yoga nicht allgemein beliebt und anerkannt? Hat die philosophische Lehre nicht schon vielen geholfen? Madonna, die Wissenschaft, selbst die Krankenkassen glauben inzwischen an die heilende Kraft des Yoga!! Seltsames wird dennoch auf dem Festival geschehen.

Der Berliner Shanti-Park ist auf keiner Karte verzeichnet, er befand sich am letzten Wochenende auf dem Dreieck zwischen Hauptbahnhof, S-Bahn-Schienen, ICE-Trasse und Busbahnhof in Alt-Moabit. Die recht wüste Brache erinnert an die mauernahen Niemandslandflächen der Vorwendezeit. Hier hatte das Yogafestival die Zelte aufgeschlagen, zahlreiche Vorträge, Workshops und Konzerte sollte es hier in den nächsten Tagen geben.

Am Freitagnachmittag ist noch nicht viel geboten, die Stände werden erst aufgebaut. Eine morbide Stimmung liegt über der ganzen Szenerie, auf dem Brachland unter der S-Bahn-Brücke haben sich etwa 30 turnende Menschen versammelt. Was aber wie eine Szene aus einem sozialkritischen Überlebensfilm oder wie Wehrertüchtigung im Terrorcamp aussieht, ist Hatha –Yoga für Anfänger. Die ausgeführten Figuren – der Laie vermutet den „Sonnengruß“, dann „Tiger“ und „Kranich“ – werden von einem gelb gekleideten Mann mit freundlicher Strenge kontrolliert. Es könnte der Yogalehrer der deutschen Fußballnationalmannschaft sein, der hier auch einen Vortrag hält.

In lockerer Kleidung und mit forschem Schritt eilt eine verspätete Teilnehmerin zur Brücke, resolut lässt sie in spiritueller Vorfreude bereits 100 Meter vor dem Ziel den Clipverschluss ihrer Yogamatte freudig schnalzen. Die Yogamatte ist nämlich das wichtigste Accessoire bei so einem Festival: Die Pragmatiker tragen sie unterm Arm, verspieltere Naturen haben einen bestickten Yogamattenbeutel mit Zierkordel dabei. Es gibt einen Yogamattenverleih, wie auch sonst an den Ständen allerlei Nützliches für den Indien- und Yogafan angeboten wird, etwa „Lunghis, das beliebte Allzwecktuch aus Indien“. Dabei liegt der merkantile Yogaschwerpunkt Berlins eindeutig in Charlottenburg, der Osten hinkt noch hinterher, wenn auch Prenzlauer Berg beim Kinderyoga aufholt. Auch Textilien werden hier angeboten, der Festival-Dresscode verlangt lockere Yogakleidung, der modebewusste Yogamann schmückt sich mit Turban und geflochtenem Zöpfchenbart.

Im großen Zelt lockt nun ein Mantrakonzert mit Sitar, Trommel und indischem Harmonium, dessen unheilvoll klagender Klang die Sängerin Nico einst auch sehr schätze und allzu gerne auf ihrer CD einsetzte. Mantrasummend sitzen Menschen strümpfig mit geschlossenen Augen auf den Matten im Zirkusrund. Eigentlich eine friedlich-energievolle Stimmung, wenn nicht ein kleiner Hund unsensibel dazwischenkläffen würde. Leider wird auf dem Yogafestival noch kein Doga – New Yorker Hundeyoga für gestresste Stadthunde – angeboten.

Bevor dann Havi Brooks ihren Shiva-Tanz-Workshop beginnt, richtet sie ernste Worte an die Teilnehmer: „Ihr werdet mich hassen, aber ich werde sagen, es ist okay!“ Die auf den ersten Blick wenig yogaeske Choreografie erinnert an die Tempeltänze aus dem film „Tiger von Eschnapur“. Beim Shiva-Dancing macht man viel mit den Armen, und dabei können schlechte Gefühle hochkommen. Deshalb hält die Kursleiterin ihre Kolehrerin „Selma“, eine gelbe Quietsche-Ente, stets auf der geöffneten Handinnenfläche. Man kann auf so einem Festival nicht immer alles verstehen.

Swami Mangalananda, ein Yogi in lichtorangenem Tuch und mit langem Bart, hält zeitgleich im kleinen Zelt einen Vortrag zur Chakren-Meditation: Chakras liegen nicht am richtigen Körper, sondern am Astralkörper, etwa auf Höhe der Wirbelsäule.

Am Samstagnachmittag ist der Shanti-Park schon viel belebter, um 15 Uhr soll ja auch die Kunstaktion „Herz-Mandala“ stattfinden: „Als Zeichen des friedvollen Miteinanders werden die Festivalbesucher ein Blumenmandala aus Blumentöpfen und anderen kraftvollen Gegenständen erschaffen“, steht im Programm. Aber das weiße Kiesherz liegt verlassen da, die Filmemacherin taucht nicht auf, und auch der Verkauf der kraftvollen Blumentöpfe schleppt sich.

Aber es gibt ja sonst noch so viel zu entdecken! Immer wieder sieht man geistige und körperliche Übungen ausführende Menschen in lockerer Kleidung auf dem Brachgelände sitzen, Kundalini-Jünger lassen im Lotussitz ihre Finger kreisen, entspannte Yogafrauen bauen sich mit weißen Tüchern kleine Kopfzelte und verharren darunter in Meditation.

Abends soll es Konzert und Multimediashow mit Ghandis Originalstimme von 1931 geben! Ab Montag ist der Shanti-Park dann wieder schnödes Brachland in Alt-Moabit; aber ein Teil der positiven Energie, die während des Festivals geflossen ist, wird an diesem unwirtlichen Ort zwischen Hauptbahnhof, S-Bahn und ICE-Trasse bleiben.