Drei rechtskonforme Modelle

Verfassungsgericht fordert Reformen. Wie radikal sie sein werden, muss das Parlament entscheiden

Der Bundestag dürfte sogar vollständig nach Mehrheitswahlrecht gewählt werden

KARLSRUHE taz ■ Die Verfassungsrichter skizzieren in ihrem Urteil drei Modelle, wie ein neues Wahlrecht ohne negative Stimmeffekte aussehen könnte.

Bei Modell 1 würden die Überhangmandate, die eine Partei im Land A erhalten hat, einfach ihren Listenplätzen in einem anderen Land abgezogen. So entspräche am Ende der Sitzanteil der Partei ihrem Wahlergebnis. Die Überhangmandate blieben zwar bestehen, verzerrten aber nicht mehr das Wahlergebnis. Die betroffene Partei würde aber im Land A mehr Mandate bekommen, als ihr nach dem Zweitstimmen-Wahlergebnis zustünden, im Land B entsprechend weniger. Modell 2 würde ganz auf die überregionale Verrechnung der Reststimmen verzichten. Wenn eine Partei im Land A Überhangmandate erzielt, dann hätte das keine Auswirkungen auf ein anderes Land. Nachteil: Weil die Reststimmen nur pro Bundesland verteilt werden, wären größere Parteien bevorzugt.

Modell 3 ist das radikalste: Nach dem sogenannten Grabensystem würde der Bundestag zur Hälfte nach dem Mehrheits- und zur anderen Hälfte nach dem Verhältniswahlrecht gewählt. Das Zweitstimmen-Ergebnis wäre dann nur für die Hälfte der Sitze relevant, die über die Landeslisten der Parteien vergeben werden. Anders als bisher fände keine Verrechnung mit den Direktmandaten statt. Auch hier könnte es deshalb keine Überhangmandate mehr geben. Dieses Modell würde die kleinen Parteien benachteiligen. Weil sie kaum Direktmandate holen, würde sich ihr Sitzanteil im Bundestag halbieren. Das Grundgesetz steht einer solchen Lösung nicht entgegen. Der Bundestag dürfte sogar vollständig nach Mehrheitswahlrecht gewählt werden. Die Richter wiederholten damit eine bekannte Rechtsprechung. CHRISTIAN RATH