Sport unterstützt Krebstherapie

Ausruhen galt lange als oberstes Gebot für Krebspatienten. Doch wer sich nicht bewegt, wird kraftlos und erholt sich nur langsam. Ausdauersport und Krafttraining können das ändern. Zudem heben sie das Selbstvertrauen und die Stimmung

Mit dem Training am besten schon im Krankenhaus beginnen

VON MARTINA JANNING

Endlich darf der Krebspatient die Klinik verlassen. Doch die wenigen Meter zum Taxi strengen ihn an. Außer Atem und mit hochrotem Kopf lässt er sich erschöpft auf den Rücksitz des Fahrzeugs fallen und denkt: „Der Doktor hat recht: Ich muss mich noch schonen.“ Das stimmt sicher, jedoch bedeutet Schonung heute nicht mehr, auf Bewegung und Sport zu verzichten.

Das war nicht immer so. Bis vor kurzem dominierte die Einstellung, dass Tumorpatienten sich ausruhen müssen, um sich von Bestrahlungen und Chemotherapie zu erholen. Da ihr Körper eine chronische Entzündung durchmacht und eine Chemotherapie zudem zu Blutarmut führt, sollten sie physische Anstrengung vermeiden. „Ärzte nahmen sogar an, dass Patienten durch körperliche Belastung geschädigt werden könnten“, berichtete der Sportmediziner Fernando Dimeo auf dem 28. Deutschen Krebskongress dieses Jahr in Berlin. Doch ein Mensch, der sich nicht bewegt, verliert an Leistungsfähigkeit. Das gilt auch für Krebspatienten. Ihre Muskeln schrumpfen und arbeiten schlechter. Das lässt sie noch rascher erschöpfen und steigert wiederum ihren Ruhebedarf – ein Teufelskreis beginnt.

So leiden 50 bis 70 Prozent der Krebspatienten während einer Chemotherapie am Fatigue-Syndrom, einer lähmenden Mattheit, die meist Monate über die Behandlung hinaus anhält und die Lebensqualität erheblich trübt. Sport kann diese Erschöpfung bessern. „Es ist ein Naturgesetz: Jeder Mensch, der trainiert, wird leistungsfähiger“, betont Dimeo. Die Erfahrungen zeigen: Körperliche Aktivität baut Muskeln auf, festigt die Knochen, stabilisiert den Blutdruck, schützt das Herz, senkt das Gewicht, regt den Stoffwechsel an, stärkt das Selbstvertrauen und bessert die Stimmung. Für Dimeo ist Sport daher „ein Medikament mit noch ungeahnten Möglichkeiten“, das „Bestandteil jeder Krebstherapie sein muss“.

Auch die Gynäkologin Anke Kleine-Tebbe von der Berliner Charité setzt auf Sport in der Krebsbehandlung. Seit einigen Jahren untersucht sie die Wirkung von Lauftraining auf Patientinnen mit Brustkrebs. Eine Studie ergab, dass Frauen, die eine Chemotherapie nach einer Bestrahlung oder Operation mit einem Bewegungsprogramm kombinierten, weniger unter Nebenwirkungen wie Übelkeit und entzündeter Mundschleimhaut zu leiden hatten als Patientinnen, die an einem Entspannungsprogramm teilnahmen.

Schon im Krankenhaus sollte das Training beginnen, empfiehlt Kleine-Tebbe. Brustoperationen verlaufen heute sehr viel schonender als vor einigen Jahren. Daher lasse sich die Wundheilung schon zwei Wochen nach dem Eingriff durch sanfte Übungen zum Dehnen und Kräftigen unterstützen, erklärt die Leiterin des Brustzentrums der Charité. Danach könnten Krebspatienten walken oder auf dem Fahrradergometer trainieren und nach vier bis sechs Wochen wieder joggen und schwimmen. „Die beste Kombination ist Ausdauersport plus Krafttraining“, sagt Kleine-Tebbe. Speziell Letzteres sollte aber mit einem medizinisch geschulten Trainer abgestimmt sein. Ohnehin gilt: Bevor es ans Sporttreiben geht, sollte jeder Patient ein Check-up, wie er in Fitnessstudios üblich ist, oder eine sportmedizinische Untersuchung machen lassen. Auf dieser Grundlage lässt sich ein individueller Trainingsplan erstellen, der auf Beschwerden Rücksicht nimmt und die Kondition langsam steigert.

Ideal ist es, jeden Tag 45 bis 60 Minuten moderat Sport zu treiben. Doch „besser öfter und kürzer als seltener und länger“, räumt die Ärztin ein. An dem Tag, an dem der Patient eine Chemotherapie bekommt, sollte er aussetzen. „Es ist aber sehr gut möglich, die Intervalle zwischen den Behandlungen zu nutzen, um Leistungsfähigkeit aufzubauen“, meint Kleine-Tebbe. Bei Fieber oder einer akuten Erkrankung, neu auftretenden Schmerzen und Anämien müssen die Turnschuhe aber im Schrank bleiben. Und Krebspatienten, die zusätzlich an Herz-Kreislauf-Beschwerden oder schwerer Arthrose leiden, dürfen nur nach Rücksprache mit ihrem behandelnden Arzt Sport treiben.

Ob regelmäßiges Training auch das Risiko von Rückfällen oder Tochtergeschwülsten beeinflusst, sei bisher nicht eindeutig geklärt, sagen die Experten vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg. Dass Sporttreiben vor Krebs schützen kann, belegen jedoch mehrere Studien. Demnach entwickeln bewegungsfreudige Menschen seltener Tumore im Dickdarm, Enddarm oder in der Brust als die durchschnittliche Bevölkerung. So kann regelmäßige körperliche Aktivität das Brustkrebsrisiko bis zu 40 Prozent senken und die Wahrscheinlichkeit einer Darmkrebserkrankung sogar um bis zu 50 Prozent. Einen schützenden Effekt hat Sport laut DKFZ auch bei anderen Tumorarten, jedoch weniger ausgeprägt.

Informationen zu Sportkursen für Patientinnen mit Brustkrebs an der Charité: www.brustkrebs-und-sport.de Weitere Informationen zum Thema Sport und Krebs: www.krebsgesellschaft.de, www.krebsinformationsdienst.de, www.krebshilfe.de