Büchels Bomben

Der Kampf von Aktivisten gegen die Atomwaffen war lange Schwerstarbeit. Das ändert sich gerade

„Der Bericht zeigt, dass die Atomwaffen abgezogen werden müssen. Ich habe die Hoffnung, dieses Ziel jetzt zu erreichen“

AUS BÜCHEL DIETER JUNKER

Hinter Büchel in der Eifel beginnt der Kalte Krieg. Unweit des Ortsausgangs sind Bunker zwischen den Bäumen zu erkennen. Mehrere Kilometer dehnt sich der Luftwaffenstützpunkt der Bundeswehr aus. Erst spät taucht ein Hinweisschild auf, „Fliegerhorst“ ist zu lesen.

Hier lagern Atomwaffen auf deutschem Boden. Nach dem Abzug der Nuklearwaffen aus dem pfälzischen US-Stützpunkt Ramstein im vergangenen Jahr sind es wohl die letzten in Deutschland. Deutsche Tornadopiloten üben hier den Einsatz mit amerikanischen Atombomben. Die Wartung der Waffen liegt in den Händen spezieller US-Einheiten. In Büchel ist dies die 702. MUNSS (Munition Support Squadron), der nach Angaben des Berlin Information-center für Transatlantic Security (BITS) rund 140 amerikanische Soldaten angehören. Nur diese US-Soldaten haben auch Zugang zu den Atomwaffen. Auf dem Fliegerhorst in Büchel gibt es zudem eine zusätzliche Wachmannschaft, die Luftwaffensicherungsstaffel „S“, wobei S für Sonderwaffen steht. Es ist die einzige ihrer Art in Deutschland.

Wegen der Atomwaffen ist Büchel in den Fokus der Friedensbewegung geraten. Im August soll die Eifel zum Schauplatz der größten Friedensdemonstration in diesem Jahr werden. Mehrere tausend Teilnehmer werden erwartet. Mit der Rocksängerin Nina Hagen gibt es bereits prominente Unterstützung. Ein Bericht der amerikanischen Luftwaffe (siehe oben) dürfte den Protestlern weiter Auftrieb geben.

In seinem Pfarrhaus in Lobberich am Niederrhein koordiniert Pfarrer Matthias Engelke seit Jahren die Protestaktionen. Er sagt: „Solange in Büchel Atomwaffen lagern, so lange werden wir auch in der Eifel sein.“ Engelke ist Mitglied des Initiativkreises gegen Atomwaffen, einer kleinen Gruppe, die seit 2002 in der Eifel mobilmacht. Bevor Engelke Gemeindepfarrer am Niederrhein wurde, arbeitete der Theologe als Militärpfarrer bei der Luftwaffe in Birkenfeld im Hunsrück. Die dortige Einheit war auch für Eifel-Fliegerhorst zuständig. „Das öffnete mir die Augen“, sagt Engelke.

Auch Rüdiger Lancelle ist Mitglied im Initiativkreis. Der 68-Jährige war in der Studentenbewegung der 60er-Jahre aktiv, engagierte sich im SDS, organisierte Mensaproteste in Frankfurt und war erster Bürgermeister des Studentendorfes der Freien Universität Berlin. Im beschaulichem Cochem an der Mosel macht er sich nun seit Jahren für die Friedensbewegung stark. Nachdem Sicherheitsmängel publik wurden, ist er nun optimistisch: „Es zeigt, dass die Atomwaffen aus Deutschland abgezogen werden müssen. Ich habe die große Hoffnung, dass dieses Ziel schneller erreicht werden kann als erhofft“, sagt er.

„Viele wissen nichts von der nuklearen Gefahr, die von Büchel ausgeht. Oder sie wollen nichts davon wissen“, sagt Elke Koller. Sie, Lancelle und Engelke verleihen seit Jahren dem Protest in der Eifel ein Gesicht. Doch bislang weitgehend ohne überregionale Resonanz. Darum freuen sie sich, dass es in diesem Jahr anders wird. Die Großdemonstration im August soll ein deutliches Signal werden.

All das bleibt in der eher konservativen Eifel, wo die CDU immer noch locker Ergebnisse weit jenseits der 50 Prozent einfährt, natürlich nicht ohne Widerspruch. Richard Benz ist parteiloser Bürgermeister von Büchel. Er sagt: „Die Bundeswehr in Büchel ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor in der Region. Wir fürchten, dass bei einem Abzug der Atomwaffen dieser Standort infrage gestellt wird.“ Ähnliche Sorgen gibt es in der Bevölkerung. Argumente, die auch von der örtlichen CDU gerne vorgebracht werden. Argumente, mit denen sich auch Elke Koller immer wieder auseinandersetzen muss: „Hier wird vergessen, dass nach meinen Informationen allein der Unterhalt des Luftwaffenstützpunktes über 500 Millionen Euro kostet.“

Immerhin beginnt allmählich ein Umdenken. Die Bevölkerung ist für die Proteste mittlerweile aufgeschlossener geworden. Und das könnte sich durch die monierten Sicherheitsmängel noch verstärken. Soldaten lassen sich auf Gespräche ein und mischen sich unter die Demonstranten, die örtliche Polizei zeigt Verständnis für die Aktionen. Stellten früher vor allem Demonstranten aus Nordrhein-Westfalen oder Baden-Württemberg das Gros bei den Demonstrationen, so kamen im vergangenen Jahr auch viele Menschen aus der Region.

Rückendeckung gibt es jetzt zunehmend aus der Politik, „sowohl aus den Oppositionsparteien als auch aus der SPD“, betont Elke Koller.

Doch die Bundesregierung sperrt sich weiterhin gegen die Aufgabe der nuklearen Teilhabe Deutschlands. „Dabei wäre es an der Zeit, dass die Bundesrepublik ebenso wie vor sieben Jahren Griechenland diesen nuklearen Klub der Nato endlich verlässt und sich von Atomwaffen verabschiedet“, betont die Friedensaktivistin aus der Eifel.

Anfang des Jahres hat die Gruppe einen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel geschrieben. Nach dem Bericht der US-Luftwaffe fordert Lancelle nun „eine Stellungnahme der Bundesregierung. Auf unser Schreiben an Angela Merkel haben wir bisher keine Antwort erhalten.“ Bis spätestens 2010, zur nächsten Überprüfungskonferenz des Nichtverbreitungsvertrages, sollen die amerikanischen Atomwaffen abzogen werden. Sollte bis August keine Antwort der Kanzlerin vorliegen, werde „es in Büchel künftig keinen reibungslosen Ablauf mehr geben“, prophezeit Pfarrer Engelke.