Litauen verbannt Hammer und Sichel

Nach dem Verbot nazistischer Symbole untersagt ein neues Gesetz jetzt auch die öffentliche Darstellung von Emblemen und Flaggen aus der Sowjetzeit. Damit dürften neue Spannungen zwischen Russland und dem baltischen Staat programmiert sein

AUS STOCKHOLM REINHARD WOLFF

Zu neuen Spannungen zwischen Moskau, den baltischen Staaten und der EU könnte ein Gesetz führen, das am Dienstag im litauischen Parlament verabschiedet wurde. Es verbietet das Tragen und die öffentliche Darstellung nazistischer wie sowjetischer Embleme und Flaggen. Eine ähnliche Gleichstellung zwischen Hakenkreuz und Hammer und Sichel hatte das Parlament Estlands 2007 beschlossen. Dieses hatte die russische Regierung als Verhöhnung der Opfer des Faschismus, Verleugnung der Rolle der Sowjetunion bei der Befreiung Europas von der Nazi-Herrschaft und Versuch, die Geschichte umschreiben zu wollen, kritisiert. Die auf den estnischen Beschluss folgende Verlegung des Denkmals des russischen „Bronzesoldaten“ in Tallinn hatte zu den schwersten Unruhen seit der Unabhängigkeit Estlands 1991 geführt.

An die Verlegung von Denkmälern scheint man in Litauen bislang nicht zu denken. Zwar ist auch in der Hauptstadt Vilnius ein Sowjetsoldaten-Denkmal an der „Grünen Brücke“ über den Neris-Fluss seit Jahren Gegenstand kontroverser Debatten und Ziel von Farbanschlägen, Hakenkreuzschmierereien sowie – zeitgleich zu dem Parlamentsbeschluss – russenfeindlicher Parolen. Doch hat sich die litauische Regierung in der Vergangenheit eher um ein entspanntes Verhältnis gegenüber Moskau bemüht. Einige führende Politiker des Landes hatten im vergangenen Jahr denn auch das undiplomatische Vorgehen Tallinns bei der Verlegung des Bronzesoldaten kritisiert.

Das litauische Gesetz, das neben Symbolen und militärischen Uniformen – außer für Veteranen des Zweiten Weltkriegs – künftig auch das Abspielen von offiziellen Hymnen der Nazi- beziehungsweise Sowjetzeit verbietet, wird in den Medien des Landes als das weitgehendste aller derartigen Gesetze postsowjetischer Staaten bezeichnet. Dabei wird es jedoch auf die Umsetzung ankommen.

Die ist bei dem schon länger bestehenden Verbot nazistischer Symbole eher halbherzig. So zogen am diesjährigen Unabhängigkeitstag, dem 11. März, hunderte NeonazidemonstrantInnen, die nur leicht oder gar nicht abgewandelte Nazisymbole trugen und faschistische Lieder sangen, von der Polizei völlig unbehindert durch Vilnius und forderten die Vertreibung von Russen und Juden.

Während vor allem nationalkonservative PolitikerInnen in den baltischen Staaten meinen, ohne ein Verbot sowjetischer Symbole sei kein Schlussstrich unter die Besatzungszeit zu ziehen, mehren sich die Stimmen, die einen entspannteren Umgang fordern. Sie warnen, dass diese Embleme damit erst recht zu Protestsymbolen würden. Damit könne die Staatsmacht gezielt provoziert werden, was nationalistische Kräfte in Russland ausnutzen könnten, sagt Heiko Paabo, Politikprofessor an der estnischen Universität Tartu Laut der russischen Tageszeitung Kommersant bereitet das Außenministerium in Moskau einen offiziellen Protest gegen das neue litauische Gesetz vor.