Soldaten kommen davon

Die zwei Mitglieder des Kommandos Spezialkräfte, die den ehemaligen Bremer Guantánamo-Häftling Murat Kurnaz misshandelt haben sollen, müssen keine Klage mehr befürchten. Dabei bleiben Zweifel an ihrer Unschuld bestehen

VON JAN ZIER

Der ehemalige Guantánamo-Häftling Murat Kurnaz aus Bremen verzichtet darauf, weiter gegen jene deutschen Elite-Soldaten zu klagen, die ihn im Januar 2002 misshandelt haben sollen. Das gab sein Bremer Rechtsanwalt Bernhard Docke gestern bekannt – und erhob zugleich erneut schwere Vorwürfe gegen das Bundesverteidigungsministerium. Zuvor hatte die Tübinger Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen zwei aus Baden-Württemberg stammenden Beschuldigte des Kommandos Spezialkräfte (KSK) ein weiteres Mal eingestellt – mangels Beweisen. Gegen sie war wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung ermittelt worden.

Gegen die Einstellung wäre zwar noch ein so genanntes „Klage-Erzwingungsverfahren“ beim Stuttgarter Oberlandesgericht zulässig, sagte Docke. „Nach reiflicher Überlegung“ verzichte er jedoch auf weitere Rechtsmittel. Eine Wiederaufnahme des Verfahrens und die Anordnung einer öffentlichen Klage sei angesichts „diverser Aufklärungshindernisse“ nicht mehr zu erwarten.

Dabei habe die Staatsanwaltschaft immer wieder die grundsätzliche Glaubwürdigkeit von Murat Kurnaz hervorgehoben. Der hatte ausgesagt, er sei im US-Gefangenenlager in Kandahar von zwei als Wachleuten eingesetzten KSK-Soldaten gefesselt, getreten und geschlagen worden. Einer der beiden habe ihm zugerufen: „Du hast dir wohl die falsche Seite ausgesucht.“ Anschließend, sagt Kurnaz, sei sein Gesicht auf den trockenen Wüstenboden geschlagen worden. Die Deutschen hätten mit dem Fußtritt in den Oberkörper getreten und ihm ins Gesicht gesagt: „Weißt du, wer wir sind? Wir sind die deutsche Kraft, KSK.“

Die Ermittler halten Kurnaz‘ Schilderung für glaubhaft: „Irgendetwas in diese Richtung muss passiert sein“, sagte auch der Leitende Oberstaatsanwalt Rainer Christ. Doch die Details sind höchst umstritten – am Ende mangelte es an gerichtsfesten Beweisen. „Zweifel an der Verlässlichkeit der Erinnerung“ von Kurnaz sieht die Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart vor allem im Hinblick auf die Identifizierung der beiden Beschuldigten. Für eine Anklage reichte es demnach nicht, „weil wesentliche Ungereimtheiten nicht ausgeräumt werden konnten“.

Das Bundesverteidigungsministerium habe „zu keinem Zeitpunkt“ ein aktives Aufklärungsinteresse erkennen lassen, sagt Docke. Erst nach und nach sei überhaupt eingeräumt worden, dass die KSK Anfang 2002 in Kandahar war und Kontakt mit Murat Kurnaz hatte – allerdings nach eigenen Angaben „nur mündlichen“. Später, so Docke, seien diverse Unterlagen „versehentlich“ vernichtet worden und „aus mysteriösen Gründen“ verschwunden.

Die Entscheidung der Generalstaatsanwaltschaft bedeute deshalb keineswegs, dass die Unschuld der beiden KSK-Männer bewiesen sei. „Es bleibt ein bitterer Nachgeschmack“, sagt Docke.