Der Verbrecher, den keiner haben will

John Demjanjuk, 88, soll aus den USA ausgewiesen werden. Deutschland hat sich noch nicht dazu geäußert, ob es den früheren Ukrainer und ehemaligen KZ-Wachmann aufnehmen will FOTO: AP

Er war einmal ein kleiner Automechaniker. 1951, nach seiner Einwanderung in die USA, arbeitete John Demjanjuk in einer Werkstatt und lebte unauffällig in Seven Hills/Ohio. 1958 erhielt der gebürtige Ukrainer die amerikanische Staatsbürgerschaft. Da war er 38 Jahre alt. Er sei im Zweiten Weltkrieg als Soldat von den Deutschen gefangengenommen worden, so lautete seine Legende.

50 Jahre später wollen die USA ihren ehemaligen Staatsbürger endgültig loswerden. Demjanjuk, inzwischen 88 Jahre alt, soll abgeschoben werden. Es ist nicht der erste Versuch. Aber noch hat sich kein Land der Welt gefunden, das bereit ist, ihn aufzunehmen.

Das hat Gründe. Denn tatsächlich geriet Iwan Nikolajewitsch Demjanjuk, so sein vollständiger Name, als junger Mann zwar in deutsche Kriegsgefangenschaft. Anschließend erklärte er sich aber zur Kooperation mit den Nazis bereit. Im polnischen Lager Trawniki wurde er zum Judenmörder ausgebildet – „Hilfswilliger“ hieß das damals. Tausende Ukrainer arbeiteten im Zuge der Judenvernichtung für die Nazis, sperrten Ghettos ab, taten Dienst in Lagern, mordeten und folterten. Kaum einer wurde jemals dafür zur Verantwortung gezogen.

Schon in den 1970er-Jahren kam die Justiz auf seine Spur. Überlebende identifizierten ihn als „Iwan, den Schrecklichen“, der im Vernichtungslager Treblinka an den Gaskammern gearbeitet habe. Die USA erkannten ihm die Staatsbürgerschaft ab und stimmten seiner Auslieferung nach Israel zu. Dort wurde Demjanjuk vor fast genau 20 Jahren zum Tode verurteilt.

Bald darauf tauchten Dokumente auf, die Zweifel mehrten, ob wirklich Demjanjuk in Treblinka gewesen war und nicht ein gewisser Marchenko. Der oberste israelische Gerichtshof sprach Demjanjuk deshalb 1993 frei. Er kehrte in die USA zurück.

Kurz darauf begannen neue Ermittlungen. Wo war der „Hilfswillige“ wirklich gewesen? Er selbst gibt keine Interviews, beteuerte vor Gericht immer wieder seine Unschuld. Heute ist die US-Justiz davon überzeugt, dass Demjanjuk in Vernichtungslagern und im bayerischen KZ Flossenbürg eingesetzt worden war. 2004 verlor er die US-Staatsbürgerschaft erneut. Im letzten Monat scheiterten die Bemühungen Demjanjuks, einer Auslieferung zu entgehen, endgültig.

Jetzt hat sich das Office of Special Investigation (OSI) hilfesuchend an Deutschland gewandt. Die USA könnten sich „eine Rückführung in die Ukraine oder nach Deutschland vorstellen“, heißt es darin. Noch gibt es kein formelles Auslieferungsgesuch Deutschlands gegen John Demjanjuk.

Es sollte bald gestellt werden. KLAUS HILLENBRAND