Radio Bremen siegt über Rapperin

Reyhan Sahin alias Lady Bitch Ray hatte ein ungeschütztes Arbeitsverhältnis bei Radio Bremen. So konnte der Sender sie mit einem lockeren „Du kannst gehen“ entlassen. Ihre Revision hat das Landesarbeitsgericht jetzt zurückgewiesen

Die Berufung ist zurückgewiesen. Damit folgte das Bremer Landesarbeitsgericht am Donnerstag, in der Sache Reyhan Sahin gegen Radio Bremen, der Argumentation des Sender-Anwalts: Demnach haben freie Honorarkräfte keinerlei Kündigungsschutz. „Du kannst gehen“, hatte die Redaktionsleiterin des Programms „Funkhaus Europa“ am 11. 5. 2006 zu Sahin, bekannter als Rapperin „Lady Bitch Ray“, gesagt. Moderationstermine für die folgenden sechs Wochen waren damit gestrichen. „Ich bin am nächsten Tag zum Arbeitsamt gegangen und habe Hartz IV beantragt“, sagt Sahin.

Für die freie Mitarbeiterin habe es keiner Kündigung und keiner Begründung bedurft, hatte der Anwalt von Radio Bremen argumentiert. Das Arbeitsverhältnis „kann jeden Tag beendet werden“. Und: „Die Beendigung hatte nichts mit der Musik zu tun.“

Damals, im Mai 2006, hörte sich das offenbar anders an. Lady Bitch Ray hatte einen Rap-Song ins Internet gestellt, der so erfolgreich war, dass er auch bei Radio Bremen auffiel. „Hol den obszönen Scheiß da raus“, forderte ihre Redaktionsleiterin und gab ihr den Rat, mit dem Rap aufzuhören, sie habe schließlich das Zeug zu einer journalistischen Karriere. Sahin weigerte sich – und war raus.

Das Hörfunk-Programm „Funkhaus Europa“ wendet sich speziell an Migranten. Die „Deutsch-Deutschen“, wie Sahin die Kollegen ohne Migrationshintergrund nennt, „haben eben ein bestimmtes Bild von türkischen Frauen im Kopf. Wenn sich mal eine davon emanzipiert, dann ist das nicht erwünscht.“ Sie versteht ihren Rap-Song nicht als pornografisch – sondern als Auseinandersetzung mit pornografischen Songs von anderen. Wenn jemand das nicht verstehe, könne sie nichts dafür – das sei eben das Risiko von Kunst und gehöre zur künstlerischen Freiheit.

Ein Jahr war Sahin arbeitslos und vermarktete ihren Rauswurf hin und wieder medienwirksam. Den Sender etikettierte sie als „Gartenzwerg-Verein“. Inzwischen hat sie ein Doktoranden-Stipendium der Rosa-Luxemburg-Stiftung – das Thema ihrer Arbeit: „Semiotik der Kleidung“.

Rein arbeitsrechtlich war es in dem Verfahren um einen Passus im Tarifvertrag gegangen, nach dem eine freie Mitarbeiterin, die 84 Tage „inklusive Urlaub“ gegen Tagessatz für Radio Bremen gearbeitet hat, den Status einer Angestellten hat. Sahin hatte 81 Tageshonorare verdient – ohne Urlaub. Mit ein paar Tagen Urlaubsanspruch sei sie über die Grenze hinweg, argumentierte ihr Anwalt. Das überzeugte das Gericht nicht, es ließ aber die Revision zu. So wird sich am Ende vielleicht das Bundesarbeitsgericht mit dieser Grundsatzfrage befassen müssen – und mit Lady Bitch Ray. KLAUS WOLSCHNER